Jenseits von Gut und Böse? Teil 1 | Beyond good and evil? pt 1
Jenseits von Gut und Böse?
„Hey, Vivienne!“, posaunte ich durch den Raum. „Schaust du bitte mal? Hier ist eine grundlegende Frage gestellt worden, und die kommt uns doch bekannt vor, oder?“ Vivienne legte ihre Farbstifte beiseite und schaute hoch. Sie war ganz vertieft gewesen in die Arbeit an einem Entwurf für ein neues Tattoo, welches sie demnächst in ihrem Studio anbieten will. Ihr Gesicht sagte: Och nö, nicht schon wieder. Ihr Mund sprach: „Kannst du das vielleicht mal alleine? Oder jemand anders fragen? Ich habe doch gerade hier zu tun.“
Das war natürlich klar, da hätte ich schon selbst drauf kommen können, aber so ganz alleine wollte ich mich mit dem gerade entdeckten Thema nicht auseinandersetzen. Wen konnte ich ansprechen? Gab es überhaupt Ersatz für Vivienne? Ich grübelte ein bisschen rum und ging in Gedanken meine Kontakte durch. Nach einigem Zögern entschied ich mich für Wolf. Wolf war zwar kein Philosoph oder Akademiker, er war Schauspieler und Regisseur, auch Maler und Bühnenarbeiter. Also setzte ich mich mal wieder an seinen Küchentisch, wie wir es etliche Monate immer sonntags morgens getan hatten. Es gab zuerst einen Kaffee, den hatte ich mitgebracht, denn Wolfs Plörre schmeckte mir nicht, dann folgte ein deftiges Frühstück aus Räucherlachs auf frisch zubereiteten Kartoffelpuffern, anschließend Wein (ich) und Bier (er), und wir begannen unsere Erörterungen, während Wolf rauchte.
„Was gibt’s Neues?“, fragte er wie meist. Nach ein bisschen Smalltalk und Geplänkel kam ich mit meiner Frage um die Ecke geschossen: „Ist der Mensch generell in sich gut, oder nicht?“ Wolf schwieg erst einmal und stopfte sich eine neue Lulle. „Das ist jetzt nicht neu, als Frage“, schob ich nach, „aber ich bin neu darauf gestoßen, weil ich im Internet etwas dazu gelesen habe.“ Wolf war schon achtzig, aber er kannte und benutzte das Internet. Auf seinem Schreibtisch stand ein alter, ranziger Laptop, an dem er dann und wann etwas recherchierte oder einfach nur Patiencen spielte. Das Arbeitszimmer wurde aber im wesentlichen beherrscht von Bücherregalen, die in den Raum hinein ragten und gespickt voll waren mit Romanen, Erzählungen, Abhandlungen. An Blogs und Posts hatte er kein Interesse.
Erörterungen über den Menschen mochte er aber, und er hatte in vielen Dingen auch eine klare Meinung dazu. Zum Beispiel wie böse Menschen zueinander sein können. Das brachte Wolf hauptsächlich mit Neid und Missgunst zusammen, nicht so sehr mit Überlebenskämpfen. Veranlagungen der Charaktere, oder „Charaktiere“, wie er wortspielend sagte. „Nicht aus Not handeln die Menschen hässlich und missgünstig gegeneinander“, lautete seine These, „sondern aus Angst vor der Not. Menschen in Not helfen einander, Menschen kurz vor der Not – egal ob eingebildet oder wirklich kurz davor – behandeln einander schäbig.“
Dennoch brachte Wolf auch schnell den alten Spruch ins Spiel: „Erst kommt das Fressen, dann die Moral.“ Das hat ein nicht nur ein Deutschland bekannter Bühnenautor vor hundert Jahren geschrieben – der Satz stammt aus der ‚Dreigroschenoper‘, und zwar aus der Ballade ‚Wovon lebt der Mensch?‘ „Erst kommt das Fressen, dann die Moral.“ Das bedeutet, so Wolf, dass Moral letztendlich ein Luxus ist, den sich nur einigermaßen wohlhabende Menschen leisten können.
„Wer um sein Überleben kämpfen muss, hat keine Zeit, keine Kraft, über Gut und Böse nachzudenken“, fasste Wolf zusammen. „Zwar helfen viele Menschen dann einander, aber aus Notwendigkeit, nicht aus ethischer Überzeugung. Und wie schon gesagt, bei Angst vor Not wird alles Benehmen sowieso über Bord geworfen. Moral ist eine gut-bürgerliche Erfindung oder eine Erfindung aus Adelskreisen, wie im europäischen Mittelalter die Liebe in der verfeinerten, vergeistigten Form der sogenannten Minne, und Gut und Böse gehören in die Kirche oder in einen Tempel, in Heilige Schriften und in Predigten, haben aber keine wirklich greifbare Bedeutung in der Welt.“
Ich wollte ihm gerade zumindest teilweise zustimmen, insofern jemand, der von Kindheit an nichts anderes kennt als das Gerangel um die nächste Mahlzeit, nie dazu kommen kann, in Ruhe über sein Leben nachzudenken, und dass man einer Handlung selbst außerdem auch nicht ansehen kann, ob sie geschehen ist aus gutem Willen oder nicht. Aber ich wollte darüber hinaus widersprechen, denn – aber da klingelte es an der Tür. Wir schauten einander an. „Erwartest du noch jemanden?“ - „Nee, und mach bloß nicht auf, es könnte Antje sein, die will ich jetzt lieber nicht hier haben. Beim letzten Besuch hat sie wieder einmal randaliert.“ - „Ja, aber wenn es stattdessen dieser oder jener ist?“ Ich zählte zwei, drei Namen auf. Wolf reagierte nicht. Da ging ich eigenmächtig zu Wolfs Sprechanlage im Flur, nahm den Hörer ab und sagte: „Jou?“ Genau wie Wolf es immer machte. Darauf hörte ich eine weiblich klingende Stimme, die mir bekannt vorkam: „Mach schon auf!“ Ich traute meinen Ohren nicht – Vivienne?
Sie kam zügig hoch getigert (dritte Etage Altbau, das sind schon einige Stufen) und ließ sich ohne Umstände auf meinem Stuhl am Küchentisch nieder. Während ich mir einen anderen Platz suchen musste, stellte ich sie kurz vor: „Das ist Vivienne, ich wollte dir schon länger von ihr erzählen, sie macht hervorragende Tattoos und ist ziemlich belesen, vor allem in –“ Vivienne unterbrach mich: „Lass gut sein, Wolf wird mich früh genug durchschauen.“ Sie grinste.
Wolf musterte sie schweigend. Er hatte ein großes Faible für große Frauen, war er doch selbst einsneunzig oder so, und selbstbewusstes Auftreten gefiel ihm. Wenn auch nur, so lange es seinem Machismo nicht allzu sehr in die Quere kam, fügte ich im Stillen hinzu. Zudem war er mehr so einer von denen, die sich am liebsten deutlich jüngeren Frauen zuwenden, das hatte er mir selbst erzählt, wenn auch nicht mit dieser Formulierung. Also nicht nur deutlich jünger als er mit seinen achtzig Jahren, sondern am liebsten generell: Er stand schon als Jugendlicher auf Twens, und das hatte sich mit dem Älterwerden nicht wirklich geändert.
Vivienne hatte selbst gemachtes Tiramisu mitgebracht, sie fragte nach Geschirr, teilte die Leckerei aus, und wir waren begeistert. Es dauerte beim genüsslichen Löffeln trotzdem nicht lange, bis sie fragte: „Und? Wie steht es um den Menschen?“ Wolf staunte: „Woher weißt du…?“ Dann unterbrach er sich und schaute mich an. „Du hast das eingefädelt, du falscher Vogel!“ Vivienne lachte. „Nein, er wusste nicht, dass ich heute hier klingeln würde. Sondern ich hatte ihn neulich weg geschickt mit dem Thema, und darum fing er bei dir damit an, wie ich mir denken konnte.“
Wolf blickte skeptisch. Er witterte eine kleine Intrige. Misstrauisch wurde er recht leicht; er hatte viel erlebt und so gut wie nie echte Freunde gehabt, das wusste ich aus den vielen Stunden seiner Erzählungen während etlicher gemeinsam verbrachter Sonntage. Seine Distanz zu Mitmenschen war so groß, dass Antje, die gerade von ihm erwähnte gemeinsame Bekannte, die mich seinerzeit bei Wolf eingeschleust hatte, ihn gern als Misanthrop bezeichnete, und er ließ das dann immer widerspruchslos so stehen.
„Also?“ beharrte Vivienne, „wie steht es um den Menschen? Ist er gut, ist er böse, kann er gut sein, wenn er will, oder täuscht er guten Willen nur vor?“ Wolf zog so heftig an seiner Zigarette, dass sie schrumpelig wurde von der Hitze; er drückte und knickte sie in den übervollen Ascher, pustete den nur halb inhalierten Rauch dicht an Vivienne vorbei über den Tisch und knurrte: „Du kannst nicht über alle Menschen gleichermaßen und gleichzeitig reden, dazu sind die Unterschiede einfach zu groß!“
Ich wagte es, noch hinterher zu schieben: „Außerdem wissen wir doch gar nicht so richtig, was Gut und Böse eigentlich sind, wir haben nur eine vage Vorstellung, mit der wir zu messen versuchen. Und was messen wir? Nicht Menschen, sondern Taten, also Handlungen. Vielleicht auch Absichten. Und wenn ein Mensch dann überwiegend gute Absichten zu haben scheint und nur selten nicht, dann sind wir geneigt, diese Person vielleicht zu den guten Menschen zu zählen, oder?“
„Gute Einwände! Ich habe euch wohl unterschätzt“, grinste Vivienne. Wo nahm sie nur immer dieses Grinsen her? War sie vielleicht doch noch überheblicher als ich? Ich grinste zurück. Sie beachtete es nicht, schaute sich stattdessen an Wolf vorbei auf der Küchenarbeitsplatte um und fand schließlich, was sie suchte: den Wasserkocher. „Wer außer mir will Kaffee?“ Die von mir mitgebrachte Packung einer teuren Fair-Trade-Marke stand noch griffbereit, und sie setzte Wasser auf.
Wolf griff wortlos, aber demonstrativ in den Kühlschrank nach einem neuen Bier. Es war seine dritte Flasche, wenn ich richtig mitgezählt hatte, und das Mitzählen war nicht unwichtig, denn ich wusste aus Erfahrung vieler Sonntage: nach dem vierten Bier würde Wolf nicht mehr konstruktiv diskutieren, wenn auch vielleicht noch kreative Einfälle haben, und nach der siebten Flasche würde er aufstehen, winkend davon wanken und sich ins Bett legen. Egal, zu welcher Tageszeit.
„Die gute Tat, die gute Absicht, der gute Mensch.“ Hatte ich das laut gesagt? „Was war eigentlich die Absicht von Bert Brecht mit seiner Ballade in der Dreigroschenoper, und war diese Absicht gut?“ Das musste Vivienne gewesen sein. Mir stieg allmählich der Wein in den Kopf, und ich freute mich auf einen Kaffee, der würde mich vor weiterer Benebelung sicherlich etwas schützen. Wolf grunzte. „Brechts Absicht? Die Gesellschaft anprangern, ist doch klar!“ - „Und?“ beharrte Vivienne, „ist das eine gute Absicht? Sollte das jemand nützlich sein, oder sollte es jemand schaden? Ging es ihm darum, die Reichen anzugreifen, sie bloß zu stellen, sie zu einer Veränderung zu bringen? Wollte er den Unterprivilegierten, dem Pöbel, dem Proletariat damit helfen?“
„Bühnenleute wollen niemand helfen, sie wollen sich produzieren und gesehen werden, beklatscht, gefeiert. Sie wollen Aufmerksamkeit. Sie sind doch keine Missionare, sondern Bänkelsänger, Stimmungsmacher, gerade Brecht. Okay, ich räume ein“, fügte ich schnell noch hinzu, „dass Brecht einen neuen Stil des Theaters propagieren wollte, der den Ungebildeten entgegen kam und insofern die Kluft zwischen Arm und Reich nicht noch immer weiter vergrößern sollte.“ Wolf schüttelte den Kopf. Galt das mir?
„Der Wolf ist des Menschen, nein halt, der Mensch ist des Menschen Wolf“, zitierte er, „und Brecht will nichts anderes als etwas zeigen, nämlich genau dies, dass der Mensch zu seinen eigenen Mitmenschen tierisch übel sein kann. Brecht bringt keine ‚Botschaft‘, denn Kunst hat keine Mission, Kunst hat nur die selbst gestellte Aufgabe, etwas zu zeigen. Ihr versteht wohl einfach nichts von Kunst, das hätte ich mir ja denken können. Was die Betrachter dann daraus machen, aus dem, was ihnen gezeigt worden ist, ist nicht mehr Teil der Kunst und gehört auch nicht zu ihrem Plan oder Programm. Kunst steht für sich.“
„So einfach ist die Trennung zu ziehen zwischen Ethik und Ästhetik? Hätte Friedrich Schiller sich seine diesbezüglichen Briefe dann nicht sparen können?“ Mit Schiller konnte ich Wolf meistens ködern, denn vor ihm hatte Wolf Respekt. Und tatsächlich – er stutzte. Schnell legte ich nach: „Wenn wir nicht glauben, dass Menschen gut sein können, wie können wir dann glauben, selbst gut sein zu können? Welche Voraussetzung muss ein Mensch erfüllen, um gut sein zu können – muss er es sich wider seine menschliche Natur mühsam aneignen?“
Vivienne gab zu bedenken: „Wir sollten vielleicht nicht so sehr vom Menschen reden, als wären wir in irgendeiner Form homogen; das sind wir nicht, glaube ich. Stattdessen könnten wir von Taten und Absichten sprechen, von Entscheidungen, die wir treffen, von Grundsätzen, die wir haben, von Gefühlen und Trieben, die uns zu lenken versuchen. Gegen die wir uns möglicherweise wehren, oder die wir kanalisieren könnten, oder denen wir uns beugen.“
„Wen wollen wir verbessern, uns oder andere? Das ist eine grundlegende Frage im Umgang mit Gut und Böse“, suchte ich eine weitere Spur. Aber Vivienne war noch auf der Fährte mit Schillers Briefen und hatte nicht zugehört, sondern sagte in Entgegnung zu meiner früheren Einlassung: „Schiller schlägt die Brücke von Ästhetik zu Ethik und damit vom Schönen zum Guten doch gerade dadurch, dass er die Kunst von Zwecken befreit sehen will. Die Aufrichtigkeit einer Kunst ohne Zweckgebundenheit ist das Vorbild für die Aufrichtigkeit eines guten Willens, der keine anderen Zwecke verfolgt, als gut sein zu wollen.“
Ich schwieg. Wolf grinste und stopfte sich eine neue Lulle. Ich nippte an meinem kalt werdenden Kaffee und versuchte es noch einmal: „Wen wollen wir verbessern, uns oder andere? Den eigenen Charakter oder den unserer Mitmenschen?“ Niemand antwortete. „Wir reden im Augenblick so, als könnten wir Gut und Böse von außen betrachten, als würden wir nicht selbst mitten drin stecken und damit konfrontiert sein. Und wir haben bisher Menschen mehr wie voneinander isolierte Wesen betrachtet, nicht als die sozialen Wesen, die wir überwiegend sind; außerdem haben wir einige psychologische Faktoren oder Fakten noch gar nicht ins Auge gefasst, die wir aber nicht ignorieren sollten, denke ich.“
Huch, ich hatte mich in Fahrt geredet. Also fuhr ich fort: „Der Wolf, äh, der Mensch ist des Menschen Wolf, das hatten wir schon, aber ich würde gerne auch darüber nachdenken, wie es mit dieser Aussage weitergeht, weil der Satz ja auch aus einem Theaterstück stammt, und dort heißt es in der Fortsetzung: ‚...solange er nicht weiß, welcher Art der andere ist.‘ Freunde und Bekannte werden also ausdrücklich ausgenommen, wenn ich das richtig verstehe.“
lyrics:
Beyond good and evil?
‘Hey, Vivienne!’ I shouted across the room. ‘Can you take a look, please? A fundamental question has been raised here, and it sounds familiar, doesn't it?’ Vivienne put her coloured pencils aside and looked up. She had been completely absorbed in working on a design for a new tattoo that she wants to offer in her studio soon. Her face said: ‘Oh no, not again. Her mouth said: ‘Can you maybe do it on your own? Or ask someone else? I'm busy here right now.’
That was obvious, of course, I could have thought of it myself, but I didn't want to deal with the topic I had just discovered all by myself. Who could I talk to? Was there even a replacement for Vivienne? I pondered a little and went through my contacts in my head. After some hesitation, I decided in favour of Wolf. Wolf wasn't a philosopher or academic, but he was an actor and director, as well as a painter and stagehand. So I sat down at his kitchen table again, as we had done every Sunday morning for several months. First we had a coffee, which I had brought with me because I didn't like Wolf's brew, followed by a hearty breakfast of smoked salmon on freshly prepared potato pancakes, then wine (me) and beer (him), and we began our discussions while Wolf smoked.
‘What's new?’ he asked, as he usually did. After a bit of small talk and banter, I came round the corner with my question: ‘Are people generally good in themselves or not?’ Wolf fell silent for a moment and rolled himself a new cigarette. ‘That's not a new question,’ I added, ’but I just came across it because I read something about it on the internet.’ Wolf was already eighty, but he knew and used the Internet. There was an old, rancid laptop on his desk, which he used from time to time to do research or simply play games. However, the study was essentially dominated by bookshelves that jutted out into the room and were full of novels, stories and essays. He had no interest in blogs and posts.
However, he liked discussions about people and had a clear opinion on many things. For example, how bad people can be to each other. Wolf mainly associated this with envy and resentment, not so much with struggles for survival. Dispositions of the characters, or ‘character beasts’, as he punned. ‘It is not out of necessity that people act ugly and jealously towards each other,’ was his thesis, ‘but out of fear of necessity. People in need help each other, people on the edge of need - whether imagined or really on the edge - treat each other shabbily.’
Nevertheless, Wolf quickly brought the old saying into play: ‘First comes the food, then the morals.’ This was written a hundred years ago by a playwright who was not only well-known in Germany - the sentence comes from the ‘Threepenny Opera’, specifically from the ballad ‘What does man live on?’ ‘First comes the food, then the morals.’ According to Wolf, this means that morality is ultimately a luxury that only reasonably wealthy people can afford.
‘Those who have to fight for their survival have no time, no strength, to think about good and evil,’ summarised Wolf. ‘Many people do help each other, but out of necessity, not out of ethical conviction. And as I said, when people are afraid of need, all behaviour is thrown overboard anyway. Morality is a bourgeois invention or an invention from aristocratic circles, like love in the European Middle Ages in the refined, spiritualised form of the so-called Minstrel songs, and good and evil belong in the church or in a temple, in holy scriptures and in sermons, but have no real tangible meaning in the world.’
I was about to agree with him, at least in part, insofar as someone who has known nothing but the scramble for the next meal since childhood can never get round to thinking about their life in peace, and that you can't tell from an action itself whether it was done out of good will or not. But I wanted to disagree, because - but then the doorbell rang. We looked at each other. ‘Are you expecting someone else?’ - ‘No, and don't open the door, it could be Antje, I'd rather not have her here now. She got rowdy again on our last visit.’ - ‘Yes, but what if it's this one or that one instead?’ I listed two or three names. Wolf didn't respond. So I went to Wolf's intercom in the corridor on my own initiative, picked up the phone and said: ‘Yay?’ Just like Wolf always did. I then heard a female-sounding voice that seemed familiar: ‘Open up already!’ I couldn't believe my ears - Vivienne?
She trudged up quickly (third floor in a hundred-year-old building, that's quite a few steps) and sat down on my chair at the kitchen table without any fuss. While I had to find another seat, I briefly introduced her: ‘This is Vivienne, I've been meaning to tell you about her for a while, she does excellent tattoos and is quite well-read, especially in – – ’ Vivienne interrupted me: ‘Leave it alone, Wolf will see through me soon enough.’ She grinned.
Wolf scrutinised her in silence. He had a soft spot for tall women, being about six and a half foot tall himself, and he liked a confident demeanour. If only as long as it didn't get in the way of his machismo too much, I added silently. What's more, he was more of one of those guys who preferred to go for much younger women, he'd told me that himself, although he hadn't used that phrase. So not only much younger than him at eighty, but preferably younger in general: he'd fancied twens as a teenager and that hadn't really changed as he'd got older.
Vivienne had brought home-made tiramisu, she asked for crockery, handed out the treat and we were delighted. It didn't take long, however, before she asked as we savoured it: ‘So, how are the human beings?’ Wolf was amazed: ‘How do you know...?’ Then he interrupted himself and looked at me. ‘You set it up, you fake bird!’ Vivienne laughed. ‘No, he didn't know I was going to ring the doorbell today. It was me who sent him away the other day with the subject and that's why he started it with you, as I knew he would.’
Wolf looked sceptical. He sensed a little intrigue. He became suspicious quite easily; he had experienced a lot and had hardly ever had any real friends, as I knew from the many hours of his stories during the many Sundays we spent together. His distance to other people was so great that Antje, the mutual acquaintance he had just mentioned, who had introduced me to Wolf at the time, liked to call him a misanthrope, and he always left it at that without contradiction.
‘So?’ Vivienne insisted, ‘what about human beings? Are they good, are they evil, can they be good when they want to be, or are they e just faking good intentions?’ Wolf drew so hard on his cigarette that it became wrinkled from the heat; he pressed and crumpled it into the overflowing ashtray, blew the half-inhaled smoke across the table close to Vivienne and growled: ‘You can't talk about all people equally and at the same time, the differences are just too great!’
I dared to add: ‘Besides, we don't really know what good and evil actually are, we only have a vague idea with which we try to measure. And what do we measure? Not people, but deeds, i.e. actions. Perhaps also intentions. And if a person seems to have predominantly good intentions and only rarely not, then we are inclined to count this person as a good person, aren't we?’
‘Good objections! I must have underestimated you,’ grinned Vivienne. Where did she always get that grin from? Was she perhaps even more arrogant than me? I grinned back. She ignored it, looked past Wolf on the kitchen worktop instead and finally found what she was looking for: the kettle. ‘Who wants coffee but me?’ The packet of an expensive fair trade brand that I had brought with me was still to hand and she put some water on.
Wolf wordlessly but demonstratively reached into the fridge for a new beer. It was his third bottle, if I had counted correctly, and counting was not unimportant, because I knew from experience of many Sundays: after the fourth beer, Wolf would no longer have a constructive discussion, even if he might still have creative ideas, and after the seventh bottle he would get up, stagger off waving and go to bed. No matter what time of day.
‘The good deed, the good intention, the good person.’ Did I say that out loud? ‘What was Bert Brecht's intention with his ballad in the Threepenny Opera, and was it a good intention?’ It must have been Vivienne. The wine was starting to go to my head and I was looking forward to a coffee, which would certainly protect me from further befuddlement. Wolf grunted. ‘Brecht's intention? To denounce society, of course!’ - ‘So?’ Vivienne insisted, ‘is that a good intention? Was it meant to be useful to someone, or was it meant to harm someone? Was it to attack the rich, to expose them, to make them change? Was he trying to help the underprivileged, the rabble, the proletariat?’
‘Stage people don't want to help anyone, they want to produce themselves and be seen, applauded, celebrated. They want attention. They're not missionaries, they're balladeers, mood-makers, especially Brecht. Okay, I concede,’ I quickly added, ’that Brecht wanted to propagate a new style of theatre that would appeal to the uneducated and therefore not widen the gap between rich and poor.’ Wolf shook his head. Was that meant for me?
‘The wolf is man's wolf, no wait, man is man's wolf,’ he quoted, ’and Brecht wants to show nothing other than something, namely precisely that man can be beastly to his own fellow human beings. Brecht has no ‘message’, because art has no mission, art only has the self-imposed task of showing something. You just don't understand anything about art, I could have guessed that. What the viewers then make of it, of what they have been shown, is no longer part of art and is also not part of its plan or programme. Art stands for itself.’
‘Is it that easy to draw a line between ethics and aesthetics? Couldn't Friedrich Schiller have spared himself his letters on the subject?’ I was usually able to bait Wolf with Schiller, because Wolf had respect for him. And indeed - he was taken aback. I quickly added: ‘If we don't believe that people can be good, how can we believe that we can be good ourselves? What conditions must a person fulfil in order to be good - must they painstakingly acquire it against their human nature?’
Vivienne suggested: ‘Perhaps we shouldn't talk so much about human beings as if we were homogenous in some way; I don't think we are. Instead, we could talk about actions and intentions, decisions we make, principles we have, feelings and drives that try to guide us. Which we might resist, or which we might channel, or which we might bow to.’
‘Who do we want to improve, ourselves or others? That's a fundamental question in dealing with good and evil,’ I searched for another lead. But Vivienne was still on the trail of Schiller's letters and had not listened, but said in response to my earlier admission: ‘Schiller builds the bridge from aesthetics to ethics and thus from the beautiful to the good precisely because he wants to see art freed from purpose. The sincerity of an art without purpose is the model for the sincerity of a good will that pursues no other purpose than wanting to be good.’
I remained silent. Wolf grinned and rolled himself a new cigarette. I sipped my coffee, which was getting cold, and tried again: ‘Who do we want to improve, ourselves or others? Our own character or that of our fellow human beings?’ No one answered. ‘At the moment, we're talking as if we can look at good and evil from the outside, as if we're not in the middle of it ourselves and confronted with it. And we've been looking at people more as isolated beings, not as the social beings that we mostly are, and we haven't even considered some psychological factors or facts that we shouldn't ignore, I think.’
Oops, I had got myself going. So I continued: ‘The wolf, er, man is man's wolf, we've already covered that, but I'd also like to think about how this statement continues, because the sentence also comes from a play, from antiquity, and in the sequel it says: “...as long as he doesn't know what kind the other is”. So friends and acquaintances are explicitly excluded, if I understand correctly.’
Translated with DeepL.com (free version)
Every time I reflect on people's actions, I analyze myself first. And honestly, there was a period when I was scared - was I still a good person, influenced by the environment in which I lived? And had I ever been? I lived in the capital, where every day I watched incidents, small or big, happen around me to other people, or to myself. No one around helped, even if they had the opportunity. Then I asked myself the question: if I had this opportunity, would I help? And how would I do it - would this thing come from my essence, intuitively, automatically, self-evidently? Or would I first think everything over, weigh all the pros and cons, and then help? Would I still be a good person then? And would I help at all? I don't know, I never answered that question.
In one of my comments I also mentioned that only a person who has not lived in a poor country does not know what it is like to be surrounded by bad people on a daily basis. Kindness is a luxury available only to the rich, yes, this is a conclusion that can only come from these facts. But in truth, poverty is just an excuse for another manifestation of evil human nature. And are all rich people really good? Yes, they have the opportunity, they have the luxury of being able to choose their behavior. But do they do it? Are they all good, moral, conscientious and an example for society?
I completely agree here, as with many other brilliant insights in this story. 😊
You go very close and tough, respect!
Many thanks for commenting so widely reaching.
Ohne Zweifel aus der Feder eines #GROSSENJUNGS , sehr nett zu lesen, tradierte Küchenidylle ,höhö .
Wolf ist ziemlich gut getroffen, sitzt auch an der richtigen Ecke des Tisches, aber andererseits ist das Bild teilweise Seiten-verkehrt, denn Wolf raucht mit Rechts, nicht mit Links, und das Fenster gehört auf die linke Seite und wäre daher in dieser Perspektive nicht zu sehen. Trotzdem habe ich sehr viel Vergnügen mit dem Bild!
Ja , hihi , nicht zu vergessen der Wasserkocher .
Vivienne ist ein Knaller! Wie sie in Wolfs Küche so schnell den Wasserkocher finden konnte... ;-)) Und ansonsten auch. Bin gespannt, was sie so entgegnet auf die Wolfssache innerhalb von Freundschaften...
Ich weiß noch nicht, ob sie überhaupt darauf zurück kommt, aber möglich wär's.
Hehe - sie kommt auf alles zurück... ;-)) Bei der Gelegenheit könne sie gleich mal klären, ob sie sich als Freundin versteht, nach so langer Zeit tiefer Diskussionen.
V. als Freundin? Das wäre nicht albern?
Nicht doch. Es bietet Perspektiven ;-))
Okay. Dann - nein. Keine Freundin. Mehr ein Widerpart.
Freundschaftlich?
Wahrheit und Werten verpflichtet, nicht mir.
I guess we are supposed to look at ourselves first but somehow because of some reason, I would tend to blame myself for many things
chriddi, moecki and/or the-gorilla