Unvergessen - die Superzelle von Düsseldorf am 9. Juni 2014

in Deutsch Unplugged15 days ago

11 Jahre nach Sturmtief Ela - Erinnerungen an ein Once in the Lifetime Event...

Heute abend um 20 Uhr MESZ jährt sich zum 11 mal ein Ereignis, dass jeder Mensch wohl nur einmal in seinem Leben erlebt. Die Begegnung mit einer Superzelle und die Auseinandersetzung mit den damit verbundenen Naturgewalten. Die Rede ist von Sturmtief Ela, welche an am Montagabend des 9. Juni 2014 unvermittelt und unvorbereitet von Süden aus kommend auf die NRW Landeshauptstadt Düsseldorf traf.

Ich erinner mich noch heute an jedes Detail dieses Jahrhundertereignis - wie ich an diesem schwül warmen Abend nach draußen ging und eher zufällig bemerkte wie eine mehr als atemberaubende Wolkenformation aus dem Süden sich unserer "Stellung" näherte. Flugs griff ich nach meiner damaligen Digitalkamera und wollte die Ankunft der Superzelle filmen und schoss einige erste Fotos, ehe diese anzeigte, dass die Speicherkarte voll sei. Was für ein Ärger. Also ging ich nochmal hinein und wechselte die Speicherkarte, was vielleicht 1 oder 2 Minuten dauerte und startete die Kamera neu. Noch während ich drinnen die Speicherkarte wechselte flogen vor meinen Augen unfassbare Wolkenformationen an meinem Fenster über dem Himmel vorbei - eine bizzare MIschung aus aschfahl leuchtenden Mammatus Wolken und und Blitz geschwängerten Gewitterzellen. In diesen wenigen Minuten wo die Superzelle über Düsseldorf hereinbrach wurde es von taghelt plötzlich stockdunkel. Eine junge Frau stand dabei noch lebensmüde aus der Kleingartenkolonie kommend auf der Straße als das Unwetter losbrach. Ob sie meine warnenden Zurufe sich in Sicherheit zu bringen noch gehört hatte, weiß ich nicht, auf jeden Fall stieg sie kurz nach dem das Inferno losbrach komplett durchnässt, aber wohlbehalten in ein Auto, dass von den Regenmassen überschüttet mit seinen Scheinwerfern die Dunkelheit ein wenig erleuchtete.

Es war gespenstisch und der Sturm fegte mit einer noch nie erlebten Gewalt durch die Stadt. Gefühlte 200 km/h Windgeschwindigkeit liessen über mindestens eine halbe Stunde die Regentropfen horizontal durch die Luft fliegen, so wie alles andere auch. Die Blitze schlugen - orchestriert vom nicht enden wollenden Gebrüll des Sturms und des Donners - zu Erde wie zu Luft im Himmel und auf der Erde zugleich ein. Dieses Unwetter war eine unfassbare Naturgewalt, die jedes normale Gewitter zu einem lauen Sommerlüftchen verblassen lässt.

Die Schadensbilanz dieses Sturms, der die Liebsten dazu nötigte sich im Keller zu verbarrikadieren und Schutz zu suchen, war ebenso katastrophal und sollte auf Jahre das Stadtbild in Düsseldorf nachhaltig verändern. Mehr als 30000 Bäume wurden entwurtzelt und über 300 PKWs zerstört. Besonders am Rheinufer wo die Bäume ungeschützt den Gewalten dieser Superzelle ausgesetzt waren, zeigten sich auch Tage nach der Naturkatastrophe Bilder wie aus einem Hollywoodkatastrophenfilm.

Der Sturm selber dauerte vielleicht eine Stunde, ehe die Dunkelheit verschwand und vom Tageslicht ersetzt wurde, so als sei gar nichts geschehen. Nur die Feuerwehrsirenen, die bis tief in die Nacht vom Geknatter der Motorsägen begleitet wurde, zeugten davon dass dieses Unwetter am 9. Juni 2014 ein wirklich seltenes Ereignis war.

Die gespenstische Ruhe die sich einstellte, nach dem die Superzelle abgezogen war, hatte etwas besonderes. Besonders insofern, als dass die Naturbedingte Auszeit einer sich abhetzenden und stets in Bewegung befindlichen Gesellschaft durch einen Zustand des Innehaltens und der Demut vor der Schöpfung ersetzt wurde, zumal weder Bahn, noch Buss noch Autos wie sonst gewohnt als Synonym für Rastlosigkeit das Leben der Menschen beeinflusste.

Es war durchaus etwas besonderes und zugleich auch trauriges zu sehen, wie all die alten Bäume in nur so kurzer Zeit von diesem Sturm sprichwörtlich zerlegt wurden - Äste so dick wie Torpedos wurden da kurzerhand einfach wie Streichhölzer von dieser Superzelle zerlegt.

Wie durch ein Wunder sind bei diesem Unwetter, das teilweise vom Geheul der Sirenen zu Beginn begleitet wurde, bis auf einen - keine weiteren Menschen zu Tode gekommen. Die Bilanz wäre sicherlich noch schlimmer gewesen, wenn am Schluss beim Abziehen der Superzelle auf Grund der Thermik der Zelle noch Tornados gefolgt wären, so wie es wohl rund 80 Jahre zuvor in Düsseldorf der Fall war.

Den Tag danach nutzte ich dazu mit dem Fahrrad die Folgen dieses Unwetters in Düsseldorf selber in Augenschein zu nehmen und für die nachfolgenden Generationen zu dokumentieren.

Die Innenstadt mit dem Hofgarten hatte es dabei besonders getroffen. Große Teile des alten Baumbestandes gingen verloren. Laut Angaben der Stadt Düsseldorf hat die gesamte Wiederaufforstung bis in das Jahr 2019/2020 gedauert. Bis die Spuren dieses Sturmes nicht mehr zu sehen sein werden wird aber wohl noch weitere 50 Jahre dauern...

Wer so ein Unwetter einmal erlebt hat, den kann so schnell nichts mehr Schrecken. Demut vor der Natur bleibt gleichwohl essentiell und überlebenswichtig, da auch ein stinknormales Gewitter einen Menschen töten kann...

So stellte die Stadt Düsseldorf im Nachgang zu dem Jahrhundertunwetter fest - Zitat:

Sturm Ela

Der Gewittersturm "Ela" zählt zu den schlimmsten Unwettern der vergangenen Jahrzehnte in Nordrhein-Westfalen. Mit Böen von über 142 Stundenkilometern richtete er verheerende Schäden an: Umgestürzte Bäume, abgeknickte Äste, herausgedrehte und gesplitterte Kronen – dieser Orkan hat das grüne Herz der Stadt schwer beschädigt. Auch im Zuge der Aufräumarbeiten mussten Bäume, die unrettbar geschädigt waren, fallen. Insgesamt hat die Landeshauptstadt Düsseldorf durch den Sturm am 9. Juni 2014 über 30.000 Bäume verloren und weitere 24.000 Bäume benötigen intensive Pflegemaßnahmen, um sie zu erhalten. Die große Aufgabe der kommenden Jahre wird sein, die Gartenstadt Düsseldorf für die nächsten Generationen wiederherzustellen und in Teilen neu zu erschaffen.

Ausnahmezustand

Am Pfingstmontag und am Folgetag wurden die Hauptverkehrsstraßen einspurig freigeräumt. Bis alle Straßen für Rettungsfahrzeuge ungehindert passierbar waren, wurden mehrere Tage benötigt. Dies war auch nicht in der ersten Phase möglich. Tausende Straßenbäume Lagen kreuz und quer. Über 300 PKWs lagen unter umgestürzten Bäumen, ausgebrochenen Kronen oder Starkästen. Diese Fahrzeuge behinderten in den Nebenstraßen zusätzlich die Rettungsfahrzeuge. Deshalb musste der Ausnahmezustand ausgerufen werden, der bis zum 20.06.2014 um 10 Uhr aufrechterhalten blieb.

Für die beseitigung der unmittelbaren Gefahrenlage standen 1.870 Personen vom Gartenamt, der Feuerwehr, dem Technischen Hilfswerk und der Bundeswehr zur Verfügung. Zusätzliche Unterstützung erfolgte durch den Einsatz zahlreicher Fachfirmen.

Die gemessenen 142 km/h mit Spitzenböen der Windstärke 11 und 12 trafen an diesem schwülen Sommerabend auf vollbelaubte Bäume. Das meteorologische Phänomen des „BOW-Echos“ führte zu zahlreichen herausgedrehten Baumkronen und Starkastausbrüchen. Dabei waren insgesamt die großkronigen Bäume mit weit ausladenden Starkästen, die dem Sturm ohne schützende Gebäudesubstanz ausgesetzt waren, besonders betroffen.

Nach einer ersten Schadensbilanz konnte festgestellt werden, dass Ela in der Düsseldorfer Stadtmitte mit der Alt- und Karlstadt sowie in den Stadtteilen Pempelfort, Derendorf und Golzheim, auf der linken Rheinseite mit Oberkassel, Niederkassel, Lörrick und Heerdt sowie den Wäldern im Osten der Stadt die größten Schäden verursacht hat.

Vorbereitungen für den Wiederaufbau

Die Aufräumarbeiten sind weitgehend abgeschlossen. In der 1. Pflanzsaison 2014/2015 konnten bereits erste Lücken geschlossen werden. Insgesamt wurden 1.000 Straßenbäume und rund 200 Bäume in Grünanlagen gepflanzt. Die Planungsaufträge zum Wiederaufbau der Parkanlagen wurden erteilt, im Herbst 2015 wurden die Ergebnisse präsentiert. Der Wiederaufbau wird mindestens bis zur Pflanzsaison 2019/2020 dauern.

In den Wäldern standen die Aufräumarbeiten und die Reparatur von Wegen, Bänken und Schutzhütten im Vordergrund. Im Herbst 2015 begann die Wiederaufforstung auf den großen Kahlflächen mit 30.000 Jungpflanzen.

Gartendenkmäler

Alle Schäden in den öffentlichen Garten- und Parkanlagen, auf Kinderspielplätzen und Friedhöfen, in Wäldern und Kleingärten sowie an Straßenbäumen werden detailliert erfasst. Besonderes Augenmerk gilt dabei den 32 denkmalgeschützten öffentlichen Garten-, Park- und Friedhofsanlagen. Erste Aufgabe nach dem Orkan war, eine detaillierte Kartierung der betroffenen Bäume. Die Dokumentation sollte vor den Aufräumarbeiten die Informationen über den ursprünglichen Baumbestand sichern.

Spielplätze

Ein Großteil der insgesamt 430 Kinderspielplätze, Wasser- und Bolzplätze war von den Sturmfolgen betroffen. An den Spielgeräten ist ein Schaden von 250.000 Euro entstanden. Die Reparaturen sind größtenteils bereits ausgeführt worden.

Friedhöfe

Von 13 städtischen Friedhöfen trugen 12 Schäden davon – verschont blieb allein der Friedhof Hubbelrath. Insgesamt 3.176 Bäume – 17 Prozent des gesamten Baumbestandes auf Friedhöfen – wurden geschädigt. Davon stürzten in direkter Folge des Sturms 1.176 Bäume um oder mussten direkt gefällt werden. Neben den Schäden am Baumbestand sind zahlreiche Zäune, Wege, Wasserzapfstellen und Schilder zerstört worden. Auch auf den Friedhöfen wurden schon zahlreiche Bäume nachgepflanzt.

Forst

Rund 20.000 Bäume des 2.000 Hektar großen Stadtwaldes sind dem Sturm zum Opfer gefallen. Betroffen waren das Forstrevier Mitte mit 49,6 Hektar Sturmwurfflächen, im Forstrevier Nord und im Forstrevier Süd sind jeweils 2,8 Hektar Sturmwurfflächen zu verzeichnen. Der Wiederaufbau des Stadtwaldes wurde 2016 abgeschlossen. Große Kahlflächen wurden aufgeforstet, an vielen Stellen sieht man aber auch wie die Natur die entstandenen Lücken durch Naturverjüngung schließt.

Straßen

An Düsseldorfs Straßen wurden über 14.000 von 69.000 kartierten Straßenbäumen in Mitleidenschaft gezogen, 3.224 Bäume mussten gefällt, 8.268 müssen gepflegt werden (Schnitt, Kronensicherung etc.). Die größten Verluste gab es dabei im Bereich Rheinuferstraße, Cecilienallee, Rotterdamer Straße, Hofgartenufer mit 160 Bäumen. An der Heinrichstraße waren es 72 Bäume, an der Kaiserswerther Straße 41 Bäume und an der Völklinger Straße 17 Bäume. Nach der Gefahrenabwehr wurde jeder Baum im Stadtgebiet noch einmal untersucht und – wenn nötig – durch Baumpflegeschnitt behandelt oder aber gefällt, um die Verkehrssicherheit gewährleisten zu können.

Kleingärten

Für die Wiederherstellung von Kleingartenanlagen wurden rd. 100.000 Euro verausgabt. Die Wiederherstellung in den Kleingartenanlagen wurde damit abgeschlossen.

Frohe Pfingsten!

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 15 days ago 

Wohl dem der bei so einem Inferno, von dir super beschrieben, nicht unterwegs ist und mitten drin steckt. Ich habe sowas noch nicht miterlebt.
Das äußerste war ein Unwetter zwischen Kettwig und Velbert. Es muß vor 1950 gewesen sein, denn mein Vater war noch nicht aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück gekehrt. Ich war in der Schule als es zu regnen begann. Es war ein Starkregen, es goß wie aus Kannen wie man zu sagen pflegt und der Regen hielt unvermindert an, da kein Lüftchen wehte der die Wolken weiter geschoben hätte. Ich beobachtete die Szene wie die Straßengräben sich füllten und eine Nachbarin ihrer Wäsche nach schaute, die davon trieb. Wir wohnten an einem Bach, der in einer Kurve um unser Haus floß unter einer Straßenbrücke durch. Der Bach war stark angeschwollen und das Wasser kam kaum noch durch den gemauerten Bogen. Dann stieg das Wasser mit einer Flutwelle plötzlich an, eine 50 m lange Gartenmauer wurde umgedrückt und wir waren Zeugen, wie die Brücke weg gerissen, und die riesigenen Bruchstücke, als wären sie aus Holz, in meterhohen Wellen in die angrenzde Wiese, dem neuen Bachbett, gespült wurden. Ursache der Flutwelle war der Bruch der Staumauer eines kleinen Sees im Raum Heiligenhaus, im Oberlauf des Baches, der in die Ruhr bei Kettwig mündet. Der Sachschaden war erheblich, Menschen kamen nicht zu Schaden, aber zum ersten Mal erlebte ich Naturgewalten, die ich nie vergaß.

Sowas vergisst man natürlich nicht.

Und wie Du schön beschrieben hast war die Flutwelle von Menschen gemacht....😉