Meinungsfreiheit auf stumm – Wie Shadow-Bans das Recht auf freie Rede aushebeln

in Deutsch Unplugged2 days ago (edited)

Ein persönlicher Fall
Heute erhielt ich auf einer großen Social-Media-Plattform ein sogenanntes Sichtbarkeitslabel. Offiziell bedeutet das: „Bestimmte Inhalte können weniger Menschen erreichen.“
Inoffiziell heißt es: Shadow-Ban – meine Beiträge sind weiterhin da, aber nur für einen Bruchteil der Nutzer sichtbar.

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Bild Quelle: Screenshot

Der Vorwurf? Unklar. Der wahre Kontext? Ich teile dort regelmäßig kritische und juristisch fundierte Artikel – auch solche, die ich hier auf Steemit veröffentliche. Offenbar reicht das bereits, um „eingeschränkt“ zu werden.

Was ein Shadow-Ban wirklich bedeutet
Ein Shadow-Ban ist keine offene Sperre.

-Keine Benachrichtigung: Die meisten Follower merken nicht, dass du „stummgeschaltet“ bist.

-Keine Diskussion: Kritische Inhalte verschwinden leise aus Feeds und Suchergebnissen.

-Keine Gegenwehr: Du kannst dich nicht effektiv wehren, weil es offiziell nur „algorithmische Einstufung“ ist.

Das Ergebnis ist perfide: Du bist formal nicht zensiert – aber faktisch ausgeschlossen.

Die verfassungsrechtliche Dimension
Art. 5 Grundgesetz garantiert Meinungsfreiheit. Private Plattformen können zwar eigene Regeln setzen, aber:
Wenn Plattformen de facto den öffentlichen Diskurs dominieren, wird das „Abschalten“ einzelner Stimmen zu einer strukturellen Einschränkung.

Gerade Shadow-Bans sind besonders problematisch, weil sie heimlich erfolgen. Keine öffentliche Sperrliste, keine Chance zur Gegenwehr, keine Transparenz.

Weitermachen oder aufhören?
Viele reagieren mit Resignation: „Wenn mich eh keiner sieht, höre ich auf.“
Ich halte das für falsch.
Wer im digitalen Raum stummgeschaltet wird, kann – und sollte – die Stimme erst recht erheben:

-Zur Dokumentation: Damit später niemand sagen kann, „es gab keinen Widerstand“.

-Zur Selbstkontrolle: Ärger konstruktiv kanalisieren statt innerlich zu explodieren.

-Als Signal: Man bleibt sichtbar für die, die einem trotzdem folgen.

Frage an euch
Was würdet ihr tun, wenn eure Inhalte nur noch im Schatten laufen?

Würdet ihr weitermachen, um eure Position zu dokumentieren?

Oder eure Energie in andere Kanäle stecken?

Wo verläuft für euch die Grenze zwischen Meinungsfreiheit und Selbstschutz?

Schreibt es in die Kommentare – denn genau hier, auf Steemit, hören wir einander noch zu.

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 2 days ago (edited)

denn genau hier, auf Steemit, hören wir einander noch zu.

Bist du dir da sicher? Wo - außer unter deinen eigenen Beiträgen - hast du schon mal kommentiert? Welchen (deutschsprachigen) Beitrag hast du schon mal gevotet, weil er dir gefallen hat?
Hier in DU (Deutsch Unplugged), der Community, die sich im deutschsprachigen Sinne tatsächlich als Gemeinschaft versteht, stecken wir die meiste unserer Energie in genau diesen Kanal. Und wir kümmern uns umeinander. Jeder, der sich daran hält, ist hier herzlich willkommen - egal mit welcher Meinung.

In der Tat war ich bislang in dieser Community noch nicht aktiv, aber mein erster Steemit-Account wurde schon 2016 erstellt, mit über 1500 Posts. Leider habe ich den Key verloren :( Hab damals an dem Projekt "Steemdunk" mitgearbeitet, mussten wir aber vor knapp 7 Jahren einstellen.

Deshalb behaupte ich trotzdem frech, die Steemit-Community ganz gut zu kennen – auch wenn das ein bisschen großspurig klingt ;P

Ich habe mich hier bisher immer gut aufgehoben gefühlt. Selbst wenn man völlig unterschiedlicher Meinung ist, sind daraus oft spannende und respektvolle Diskussionen entstanden. Genau das schätze ich an Steemit. =)

 2 days ago 

Da isser wieder... Und bringt ein Mißverständnis mit. Eins, das seit ein paar Jahren an der Tagesordnung zu sein scheint.

Meinungsfreiheit wird Dir in Deutschland per Grundgesetz garantiert. Mir ist kein echter Fall bekannt, wo die tatsächlich untergraben wird. In der Wahrnehmung, auch in meiner eigenen, sieht das natürlich anders aus: die von Dir beschriebene de-facto-Sperre, der Druck einer besonders angesagten Gruppierung, sich ihrem Weltbild anzuschließen oder für immer zu schweigen... Beides hat nichts mit der Meinungsfreiheit zu tun, auf die Du inistierst. Die gewährt Dir der Staat - Du kannst jegliche Meinungen ungestraft äußern. Siehe oben: mir ist kein Fall von Meinungsjustiz bekannt.

Keine Privatperson, kein Unternehmen, kein Verein und gar niemand muß Deine Meinung tolerieren. Jeder davon kann für sich und seinen Zuständigkeitsbereich entscheiden, was er da hören mag und was dort nicht geduldet wird. Du hast im Übrigen mit der schönen Meinungsfreiheit auch keinen Anspruch darauf, daß Dir jemand zuhört...

Jetzt zurück zu Deiner Sperre: bezeichnend, mittlerweile typisch und vermutlich schade. Aber absolut nicht zu beanstanden. Wenn Du öffentlichen, ergebnisoffenen und gleichberechtigten Diskurs möchtest, mußt Du Dir Formate suchen, in denen das möglich ist. Ein Facebook oder TikTok oder sonstwie muß Dir das nicht bieten. Das ist letztendlich problematisch für unpopuläre Meinungen, aber legitim.

Du mußt genau unterscheiden, was wirklich rechtswidrig ist und was nur Deinem Empfinden nach falsch. Wenn Du beides mit gleicher Wucht anprangerst, machst Du Dich für Deine wichtigen Anliegen unglaubhaft und angreifbar.

Danke für deinen Kommentar – und du hast recht, dass Art. 5 GG in erster Linie den Staat bindet.
Allerdings übersiehst du einen zentralen Punkt: Das Grundrecht umfasst nicht nur das Äußern einer Meinung, sondern ausdrücklich auch „sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten“.

Wenn zentrale digitale Plattformen – die faktisch zu den wichtigsten allgemein zugänglichen Informationsquellen geworden sind – Inhalte vorselektieren, herabstufen oder unsichtbar machen, wird dieses Informationsgrundrecht mittelbar ausgehöhlt.
Formell mag das nicht „Zensur“ im verfassungsrechtlichen Sinne sein, faktisch bedeutet es aber: Bestimmte Inhalte erreichen die Öffentlichkeit nicht mehr, obwohl sie öffentlich geäußert wurden.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit dem Konzept der mittelbaren Drittwirkung anerkannt, dass auch private Akteure Grundrechte berücksichtigen müssen, wenn ihre Entscheidungen erhebliche Auswirkungen auf den öffentlichen Diskurs haben.
Mein Punkt ist also nicht, dass der Staat mich direkt zensiert – sondern dass die faktische Informationsfreiheit erodiert, wenn die Hauptinformationskanäle selektiv steuern, was sichtbar ist.

Schau, im Prinzip geht es darum: Ich muss meinen Content überhaupt erst anbieten dürfen. Jeder kann dann frei entscheiden, ob er mich stummschaltet, blockiert oder ignoriert, wenn ihn mein Angebot nervt. Aber wenn ich ihn gar nicht erst anbieten kann, fehlt auch den Lesern die Möglichkeit, selbst zu entscheiden und genau darin liegt das Problem.

 yesterday 

Nein, genau so ist es eben nicht. Du kannst keinen Verlag zwingen, Dein Buch zu veröffentlichen, wenn der es für schlecht, nicht markttauglich oder nicht seinem Profil entsprechend befindet. Kein Fernsehsender strahlt Deine Dokumentation aus, wenn sie nicht ins Konzept paßt. Und keine Plattform muß Dir zur Verfügung stehen für Deine Inhalte, wenn sie der Plattform (deren Betreibern natürlich) nicht passen.

Zwei Baustellen. Die eine: Du hast keinerlei Strafe zu befürchten, wenn Du Deine Meinung laut äußerst, egal welche. Fakt. Die andere: das Recht zur ungehinderten und umfassenden Meinungsbildung aus allgemein öffentlich zugänglichen Quellen. Das besteht. Inwieweit die Kernquellen, der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk, der genau zu diesem Zweck geschaffen wurde, dem gerecht wird... Sei dahingestellt (bzw. mit einem anderen Wutschrei bedacht) Das Recht auf umfassende Meinungsbildung umfaßt keine Verpflichtung, das Kleben von Plakaten an meiner Hauswand zu dulden. Auch die besagte Plattform muß nichts zulassen, was ihrer Philosophie widerspricht. Eingriffe ins Hausrecht sind nicht gedeckt durch die mittelbare Drittwirkung. Dabei geht es vor allem um das Vertragsrecht zwischen juristischen Personen und Unternehmen, das sich natürlich im Grundrechtsrahmen bewegen muß, um Gültigkeit zu erlangen.

Ich rede nicht von einem Anspruch darauf, dass jede Plattform alles von mir veröffentlicht, sondern davon, dass die faktische Informationsfreiheit eingeschränkt wird, wenn Plattformen mit marktbeherrschender Stellung Inhalte unsichtbar machen.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit der Fraport-Entscheidung (NJW 2011, 1201) und zur mittelbaren Drittwirkung deutlich gemacht: Wenn private Akteure faktisch den öffentlichen Raum des Diskurses kontrollieren, müssen auch sie Grundrechte beachten.

Es geht also nicht um Strafe oder staatliche Zensur, sondern darum, dass selektive Unsichtbarmachung die freie Meinungs- und Informationsbildung unterläuft. Bürger verlieren so die Möglichkeit, alle Argumente zu sehen und zu bewerten und das ist für eine Demokratie problematisch die vom Wettkampf der Ideen lebt.

 13 hours ago 

Wir nähern uns... ;-))

Es ist hochst problematisch, da gebe ich Dir vollkommen recht. Aber juristisch nicht angreifbar. Also sollte es darum gehen, Alternativen zu schaffen zu den besagten Akteuren. Moment. Solche Alternativen gibt es. Die Mehrheit der Menschen entscheidet sich aber zur Nutzung dieser Plattform-Riesen. Das dürfen die.

Schön das Du in Deinem Beitrag auf den sogenannten Shadow Ban hinweißt. Ich bin auch der Meinung das sich viele Social Media Anbieter dessen bereits seit Jahren bedienen, allerdings OHNE jegliche Info das die Reichweite eingeschränkt wird. Das ist nicht nur bedenklich für die Meinungsfreiheit, sondern ist gegenüber den Content Creatern extrem unfair.

Aber letztendlich kannst da auch nix gegen machen. Man muss wohl damit leben und klarkommen oder große Social Media einfach meiden.

Viele Grüße

Ja, so haben ja die Linken bzw die Demokraten in den USA twitter genutzt um unliebsame Meinungen und Akteure stummzuschalten. Elon Musk hat das ja erstmal nach dem Kauf offengelegt, was bis dato ja nur eine Verschwörungstheorie war.

Aber Zensur geht auch mit bots die ü18 content haben. Wenn diese deine Posts liken verlieren deine Beiträge auch an Reichweite...