Am Brunnen
Am Brunnen
(...still another stream of Loch consciousNess...)
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Concurso de Arte y Escritura #164
https://steemit.com/venezolanos-steem/@solperez/concurso-de-arte-y-escritura-164-y-ganadores-de-la-edicion-163-art-and-writing-contest-164-y-ganadores-de-la-edicion-163
Ich habe keine Kraft mehr, den Eimer hochzuziehen. Mir tun die Hände weh. Warum kann nicht einer der Burschen das Wasser holen? Die sind es ja, die mir keine Handschuhe beschaffen. Und sie bauen auch keinen Flaschenzug, obwohl ich ihnen das schon hundert Mal gesagt habe. Es kann doch nicht so schwer sein! Aber sie kümmern sich ja um gar nichts. Ich mag mich kaum noch umschauen - der Verputz der Stallwand bröckelt, es liegen große Steine im Hof, eine Pfütze in einer Kuhle, rundherum nur erdiger Boden - dabei könnte dort grün sein, mit sauberen Platten zum Gehen. Aber nein, nichts dergleichen. Auch das Mühlrad steht still, seit es keiner mehr pflegt, wozu auch, der Müller ist weg.
Wo sind eigentlich die Burschen? Wann habe ich die zum letzten Mal gesehen? Sind die auch alle weg? Es wäre ja kein Wunder. Weshalb bin ich selbst denn noch hier? Aus reiner Gewohnheit? Aus Pflichtgefühl? Ich muss mal darüber nachdenken. Wer braucht mich denn hier? Ich sehe keine Tiere. Sind Ziegen im Stall? Oder Schafe oder Hühner? Und wenn ja, warum sind sie nicht draußen auf der Weide? Haben wir keine mehr? Wurde uns alles weg genommen, liegt alles brach, verwildert, unbewirtschaftet und nicht benutzbar? Ist ein Ochse im Stall zum Pflügen? Nicht dass ich wüsste.
Ich bin die Frau am Brunnen. Da gibt es doch auch eine biblische Geschichte, fällt mir gerade ein, die Frau am Brunnen, die Jakob getroffen hat, Rahel hieß sie, glaube ich. Und von der er so eingenommen war, dass er sie unbedingt heiraten wollte. Hat er dann auch. Nachdem er mangels anderer Lösung sieben Jahre für ihren Vater gearbeitet hatte. Und von diesem dann erst einmal noch betrogen wurde mit einer untergeschobenen anderen Braut, Lea, die ältere Schwester von Rahel. Ich glaube, ich fühle mich mehr wie diese Lea. Unbeachtet.
Da gibt es noch eine andere biblische Geschichte, fällt mir ein. Da ist eine Frau am Brunnen, die von Jesus überrascht wird mit Insider-Informationen über ihre Biografie. Na, das fehlte mir noch. Ich fühle mich ganz okay, aber eine lupenreine Diamanten-Biografie hätte ich auch nicht vorzuweisen. Und ich will hier weg. Ich muss hier weg. Vielleicht ziehe ich den Eimer noch ein Mal hoch, ein letztes Mal. Dann ziehe ich mich um und gehe. Am besten Richtung Norden, denke ich. Oder lieber Richtung Küste, wo die Städte sind? Mein Auskommen würde ich sicherlich finden, ich bin ja noch keine dreißig Jahre, wenn ich richtig mitgezählt habe.
Wo ist eigentlich meine Kindheit hin? Liegt die noch irgendwo hier rum? Habe ich früher da vorne in der Scheune gespielt? Wieso kann ich mich nicht daran erinnern? Ich glaube, mir wird schwindlig, ich muss mich am Strick festhalten. Ich habe keine Kraft mehr. Die Hände tun weh. Das Herz tut weh. Jetzt bloß nicht heulen. Naja, es wäre egal, sieht ja eh keiner. Gleich wird's mir sicher wieder besser, dann wasche ich mich, ziehe etwas anderes an und breche auf. Mich sucht keiner, mich vermisst keiner. Wenn ich weg bin, bin ich weg.
Also noch ein Mal hoch mit dem Eimer. Für mich, für mein Wasser zum Waschen. Für meinen Aufbruch. Der Eimer der Hoffnung. Oder der Verzweiflung? Ich kann es kaum unterscheiden.
(Where did my childhood go? When I read this phrase I think about what many people say: I would like to be a child again... Something that I do NOT wish for, the reason, returning to childhood means reliving everything that has marked my life today, reliving what I cannot forget, I believe that people forget that they will live their own lives, I do not believe that they can change them
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Thanks for reading!
I think, this phrase means not really to be a child or to be the formerly child one was - but to regain some happy hours without such sorrows that grown ups have...
Within my text the question "Where did my childhood go?" means NOT some longing for a time that has passed by; it means the shock of getting aware that the memories could get lost while working too hard.
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