Instrumentalisierte Wissenschaft – Wenn Fakten zur Waffe politischer Agenden werden

In der öffentlichen Debatte gewinnt ein beunruhigendes Phänomen an Dynamik: Die Instrumentalisierung wissenschaftlicher Erkenntnis zur Rechtfertigung politischer Maßnahmen. Was zunächst nach notwendiger Expertise klingt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung allzu oft als moralisch aufgeladene Dogmatik, die demokratische Entscheidungsprozesse untergräbt und abweichende Perspektiven diffamiert.

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Der Schutz des Klimas, die Bekämpfung von Pandemien oder die Gestaltung von Migrationspolitik – all das sind zweifellos wichtige gesellschaftliche Fragen. Doch wer die Wissenschaft zur Legitimation einseitiger Maßnahmen benutzt, verwandelt komplexe Zusammenhänge in scheinbar unumstößliche Wahrheiten. Die Losung lautet dann nicht mehr: „Was sagt die Wissenschaft?“ sondern: „Die Wissenschaft hat gesprochen – Diskussion beendet.“

Ein aktuelles Beispiel liefert Prof. Stefan Rahmstorf, der auf X/Twitter erklärte, dass Staaten, die weiterhin fossile Energien fördern, sich möglicherweise völkerrechtswidrig verhielten – gestützt auf ein Urteil eines internationalen Gerichts. Seine Forderung: Der Staat müsse das Klima schützen, da Klimaschutz ein Menschenrecht sei. Was wie eine rechtliche Pflicht klingt, ist bei genauerer Betrachtung ein hochgradig interpretatives Narrativ: Die Verknüpfung zwischen subjektiven Zielen („Klimaschutz“) und objektiven Grundrechten („Menschenrechte“) ist nicht rechtlich zwingend, sondern politisch gewollt. Juristische Maßstäbe, demokratische Verfahren oder wirtschaftliche Folgen spielen in solchen Aussagen kaum eine Rolle – sie stören nur die moralische Überlegenheit der Position.

Genau hier beginnt das Problem: Wer wissenschaftliche Deutungshoheit beansprucht, verlässt den Boden offener Diskurse. Wissenschaft wird dann nicht mehr als kritische Methode verstanden, sondern als politisches Machtinstrument. Besonders gefährlich ist das in Verbindung mit institutioneller Autorität – wenn etwa Behörden, Gerichte oder internationale Gremien Aussagen übernehmen, ohne ihren politischen Gehalt zu reflektieren. Die Folge: Kritik wird als wissenschaftsfeindlich, Zweifel als extremistisch gebrandmarkt. So entsteht ein Klima, in dem nicht mehr um Lösungen gerungen, sondern um Wahrheiten gekämpft wird.

Der Preis dafür ist hoch. Demokratische Kontrolle, Pluralität der Perspektiven und die Fähigkeit zur Selbstkorrektur werden ausgehöhlt. Statt Verantwortung zu übernehmen, verstecken sich Entscheidungsträger hinter vermeintlich objektiven Zwängen. Doch Wissenschaft kennt keine absoluten Wahrheiten – nur Thesen, Modelle und Diskurse. Wer sie als letzte Instanz politischer Moral missbraucht, gefährdet nicht nur die Wissenschaft, sondern auch die Demokratie.

Es ist Zeit, den Unterschied wieder klar zu machen: Wissenschaft liefert Erkenntnisse – keine Entscheidungen. Und politischer Streit braucht Argumente – keine Heiligsprechung.

Verfasser: Jan-Philipp Vieth

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You've touched on an interesting topic, one that not only has to do with scientific postulates and how governments use them to their advantage or disadvantage, but you've also mentioned how, with the same discourse and its various interpretations, you can be declared good or bad. This means that everything depends on who interprets the discourse.

I loved your post. Hugs.

Hey, thanks for your great comment!
You’ve really hit the nail on the head: it’s rarely just black or white. Most things come with many shades of gray. Someone who’s always been good can do something bad without being entirely “bad.” And vice versa.

The real challenge is allowing ourselves to see the full complexity and truly want to understand the truth — with all its nuances. That’s the only way to get the whole picture.

Glad to see you feel the same way!

Mil gracias por tu respuesta. Ciertamente, comaprto tu opinión. Un abrazo.