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RE: Links gegen Rechts – und beide gegen die Vernunft

in #deutsch2 days ago (edited)

Ich finde es spannend, wie sich in deinem Kommentar die Dynamik wiederholt, über die mein Text eigentlich spricht:
Du beginnst mit dem Hinweis, du würdest keine „Kampfbilder“ brauchen – und nutzt dann eine ganze Reihe davon, um dich von denen abzugrenzen, die du als „jammernd“, „rechts“, „eingeschränkt“ oder „nicht reflektiert“ beschreibst.

Das ist kein Vorwurf, sondern ein schönes Beispiel für das, was in unserer gesellschaftlichen Kommunikation so häufig passiert: Wir reden über Verständigung, aber die Sprache selbst bleibt trennend.

Ich erkenne darin etwas sehr Menschliches: Wir alle suchen Orientierung, und am einfachsten finden wir sie, wenn wir uns selbst auf der richtigen Seite sehen. Das erklärt auch, warum so viele Gespräche heute gar nicht mehr um Argumente geführt werden, sondern um moralische Positionierung.

Dabei entsteht dann das Paradox, das dein Kommentar wunderbar zeigt: Man will sich vom „Lagerdenken“ befreien – und tut es, indem man ein neues Lager gründet, das sich durch intellektuelle und moralische Überlegenheit definiert.

Dass du dich auf den historischen Vergleich mit 1933 berufst, zeigt, wie tief dieses Bedürfnis nach moralischer Klarheit sitzt. Aber genau darin liegt ja das Problem: Der NS-Vergleich war früher das Ende jeder Debatte, heute ist er oft ihr Anfang. Er ersetzt Analyse durch Emotionalität.

Verständigung braucht kein „Lager“ und keine Gesinnungsprüfung. Sie braucht die Bereitschaft, das eigene Narrativ kurz zu verlassen – auch dann, wenn es sich nicht richtig anfühlt.

Wenn man das schafft, wird plötzlich sichtbar, dass die eigentliche Spaltung gar nicht zwischen „links“ und „rechts“ verläuft, sondern zwischen Menschen, die zuhören können, und solchen, die es nicht mehr wollen.

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Stell dir vor, ich würde jetzt anfangen, dich so zu beschreiben, wie du über andere sprichst.
Jammernd, moralisch überhöht, festgefahren in deiner Sicht.

Würdest du mir dann noch zuhören?
Oder würdest du in dem Moment nur noch spüren, dass ich dich gar nicht sehen will?

Genau das passiert jeden Tag in diesen Debatten.
Wir reden nicht mehr miteinander, sondern übereinander – und wundern uns dann, dass niemand mehr etwas versteht.

Du sagst, du willst Verständigung.
Aber Verständigung kann nur über Brücken gehen, nicht über Brandruinen. 🔥

Ich kann deine Gedanken schon nachvollziehen – aber das Problem solcher Aussagen ist, dass sie an echten Menschen vorbeigehen.

Ich habe selbst schon eine AfD-Politikerin angeschrieben, um ein Dossier zum Thema Kinderschutz zu schicken, weil mir das wichtig ist. Ich habe auch AfD gewählt.
Und meine Lebensgefährtin ist Migrantin – sie sieht viele Dinge ähnlich.

Wenn ich also deinen Kommentar lese, müsste ich mich ja selbst darin wiederfinden. Tue ich aber nicht.

Vielleicht zeigt das ganz gut, worum es wirklich geht: Nicht um „rechts“ oder „links“, sondern um die Bereitschaft, Menschen wieder als Individuen zu sehen – nicht als Stellvertreter im eigenen Feindbild.