Wut braucht Worte - Warum das Verbot drastischer Meinungen gefährlicher ist als ihre Existenz

in #deutsch5 days ago (edited)

In einer Zeit, in der das gesprochene Wort unter immer stärkerer Beobachtung steht, lohnt es sich, innezuhalten und zu fragen: Was passiert, wenn Menschen ihre Wut nicht mehr sagen dürfen? Was passiert, wenn das Recht, auch einmal über das Ziel hinauszuschießen, dem Strafrecht untergeordnet wird?

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Was §130 StGB ursprünglich als Schutz vor tatsächlicher Volksverhetzung gedacht war, droht heute zum Schleier einer stillen Repression zu werden – einer Repression von Emotion, Unbequemlichkeit, Wut.

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Meinungsfreiheit – aber bitte mit Filter?
Natürlich: Niemand will Hass. Niemand will Hetze. Und niemand will zurück zu Zeiten, in denen Minderheiten systematisch diffamiert wurden.
Aber was wir stattdessen bekommen, ist eine Gesellschaft, in der nicht mehr klar ist, was man noch sagen darf – und das ist ein mindestens ebenso großes Problem.

Denn nicht jeder der wütend ist, ist ein Hetzer. Nicht jede drastische Formulierung ist gefährlich – oft ist sie ein Ventil. Ein Aufschrei, bevor jemand wirklich durchdreht.
Wer das nicht erkennt, hat wenig von Psychologie verstanden – und noch weniger vom Wesen der Demokratie.

Die stille Gewalt der unterdrückten Meinung
Die Freiheit, auch wütend zu sein, auch falsch zu liegen, auch laut zu werden – das ist der entscheidende Unterschied zwischen lebendiger Demokratie und autoritärer Konsenskultur

Wenn wir Menschen das Gefühl geben, dass ihre Meinung ohnehin nur strafbar ist, wenn sie nicht in das Narrativ passt – dann hören sie nicht auf zu denken.
Sie hören nur auf zu sprechen. Und was dann folgt, ist gefährlicher als jedes „wird man ja wohl noch sagen dürfen“:

Misstrauen. Radikalisierung. Und irgendwann: Gewalt.

Strafrecht ist kein Ersatz für Seelsorge
Der Staat ist kein Therapeut. Und Gesetze sind kein Ersatz für gesellschaftliche Dialoge.
Wenn Wut nicht mehr in Worte darf, geht sie früher oder später in Taten auf.

Man kann sich darüber empören, dass Menschen in sozialen Netzwerken pöbeln.
Oder man kann sich fragen: Warum tun sie es? Was wurde vorher nicht gehört?

Schluss mit der doppelten Moral
Interessant ist auch: Wer die „falsche“ Meinung sagt, steht heute schnell mit einem Bein im Gerichtssaal.
Aber wer andere öffentlich verächtlich macht – solange es „die Richtigen“ trifft – wird gefeiert.
Die Meinungsfreiheit ist in Deutschland nicht mehr gleich verteilt. Sie ist konditioniert. Und das ist gefährlich.

Fazit: Worte verhindern Gewalt – nicht Gesetze
Wenn Gesetze wie §130 StGB zu Werkzeugen moralischer Ausgrenzung werden, statt wirklich Gewalt zu verhindern, verlieren wir nicht nur Redefreiheit – wir verlieren das Vertrauen in unsere eigene Demokratie.

Denn Wut wird nicht verschwinden. Aber sie wird einen anderen Weg suchen.
Und wer das nicht erkennt, riskiert genau das, was er verhindern will.

Wut darf sein. Worte dürfen stark sein. Denn solange sie ausgesprochen werden dürfen, bleiben sie Worte – und verhindern oft genau das, was sie kritisieren: Gewalt.

Verfasser: Jan-Philipp Vieth

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