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RE: Richteramt und öffentliche Verantwortung – Warum sich Frauke Brosius-Gersdorf der Debatte hätte stellen müssen
Das habe ich anders erlebt: den Rückzug hat Brosius-Gersdorf angekündigt und gewählt, um das Funktionieren der Demokratie, insbesondere der Gewaltenteilung, nicht (noch weiter) zu beschädigen. Ich schätze sie durchaus, auch wenn ich nicht alle ihre Positionen unterstütze. Sie wäre eine gute Besetzung für den Posten gewesen. Insofern habe ich ihre Motivation, auf die Kandidatur zu verzichten, verstanden, und dennoch bedauert.
Vielleicht kannst Du mit diesem Interview mit Juli Zeh etwas anfangen; das finde ich sehr reflektiert und darüber hinaus werden ein paar zusätzlich bedenkliche Punkte gestreift:
Ich habe den von dir verlinkten Artikel von Juli Zeh gelesen und verstehe ihren Punkt: Sie sieht den Rückzug von Brosius-Gersdorf als Symptom einer ungesunden Diskurskultur, in der Empörungsmechanismen die inhaltliche Auseinandersetzung verdrängen. Grundsätzlich stimme ich zu, dass Demokratie vom offenen Streit lebt und dass Ideologisierung in Richterwahlen problematisch ist.
Aber genau deshalb sehe ich den Fall anders: Demokratie lebt nicht nur vom Diskurs, sondern auch von der Überprüfung, ob Kandidaten selbst Maßstäbe wie Rechtsstaatlichkeit, argumentative Redlichkeit und fachliche Integrität einhalten. Brosius-Gersdorf hat sich nicht wegen einer abstrakten Empörung zurückgezogen, sondern im Kontext konkreter Kritik an ihrer Arbeit und öffentlichen Aussagen – Kritik, die nicht allein ideologisch motiviert war, sondern auch inhaltliche und fachliche Fragen berührte.
Zeh stellt es so dar, als sei die Kandidatin vor allem „Opfer“ eines vergifteten Klimas. Ich halte es für gefährlich, fachliche Kritik pauschal als toxische Empörungswelle zu etikettieren. Das verschiebt den Fokus weg von der sachlichen Prüfung der Eignung hin zu einer Art „Solidaritätsbonus“ für die Kandidatin. Gerade wenn es um das Bundesverfassungsgericht geht, darf nicht der Eindruck entstehen, dass unbequeme fachliche Fragen aus Rücksichtnahme unterdrückt werden.
Mit anderen Worten: Ja, wir brauchen den offenen Streit, aber nicht auf Kosten einer gründlichen und gegebenenfalls auch kritischen Prüfung der Person, die in eines der wichtigsten Ämter der Republik gewählt werden soll.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Die Richterinnen und Richter am Bundesverfassungsgericht sind nicht „irgendwelche“. Sie sind die fachliche Spitze der deutschen Justiz – die Besten der Besten. Das macht die Prüfung von Eignung und Integrität noch wichtiger. Wenn bei einer Kandidatin Zweifel auftauchen, ist es kein „Skandal der Diskurskultur“, wenn diese Zweifel offen angesprochen werden. Es wäre vielmehr ein Skandal, wenn man aus Rücksichtnahme darauf verzichtet.
Das streite ich alles nicht ab. Also... vielleicht würde ich gerne einränken:
Das waren sie einmal. Noch zu Zeiten von Papier... Und dann passierten Sachen.
Und wenn wir mal von Top-Juristen sprechen. Ich hatte mal Steinhöfel angefragt. Der hat innerhalb von 9min geantwortet und er versinkt in Arbeit.
In der Tat, den Dr. Hans Jürgen Papier hab ich sogar vor nicht allzulanger Zeit angeschrieben. In der Sache konnte und wollte er sich zwar logischerweise nicht mehr äußern, ist ja schon über 80, aber er antwortete mir. Das sind noch Menschen für die Respekt und Achtung nicht nur Worte sind.