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RE: Gedankenverbrechen – Das Wichtigste auf Erden

Vielen Dank zunächst einmal :) Es freut mich insbesondere sehr, wenn ich mit einem Thema auch bei jemanden einen Punkt getroffen habe, der einen auch wirklich umtreibt.

Viele Menschen ignorieren nämlich schlichtweg gerne, dass es solche Phänome gibt. Dabei halte ich die Verlustbehaftung der Sprache für das wirklich Urdilemma der menschlichen Spezis. Würden wir eine eindeutige, mathematische Sprache haben, würden wir uns vermutlich so einiges an Leid ersparen. Aber wie ich es mit dem Beispiel für den Tisch gebe, geht es eben nahezu ständig zu. Unser Geist zwingt uns dazu zu denken, dass wir stets mit Worten das ausdrücken können, was uns umtreibt und die Gegenseite es dann auch genauso verstehen würde. Dies ist aber eine Illusion, da wir durch jede Kommunikation sehr viele Informationen verlieren. Für simple Dinge wie: Gib mal das Futter rüber! Ist unsere Sprache wirklich mehr als ausreichend. In den Punkten funktioniert sie. Geht es aber um abstraktere Dinge wie z.B. auch Leid und Schmerz, sieht die Sache schon ganz anders aus. "Mir geht es heute nicht gut!" kann für den einen bedeuten, dass er kurz vor dem Zusammenbruch steht ... beim anderen einfach nur, dass man morgens einfach nur mit dem falschen Bein aufgestanden ist. Da ist Frust ja quasi schon vorprogrammiert.

Noch fataler wird dies in Beziehungen, wenn jede Seite bereits davon ausgeht, dass gewisse Dinge bereits "bekannt" sind, während die Gegenseite diese dann einfach bereits "herausgefiltert" hat und in einem früheren Gespräch als "unwichtig" angesehen wurde. Dann wirkt es eben manchmal nicht nur so als würde man ständig aneinander vorbei reden.

Ein Dilemma ist es, weil wir damit gefangen sind und uns dem nicht enziehen können. Ein geschriebener Text kann durchaus den Sachverhalt gegenüber einem Gespräch ein wenig lindern, da mehr Gedanken reingeflossen sind. Trotzdem bleibt der Informationsverlust erhalten. Ich versuche dies üblicherweise dadurch zu kompensieren, dass ich das Gegenüber explizit häufig nach Gefühlen oder Wünsche frage, da dies dann wesentlich einfacher auszudrücken ist als dieses irgendwo aus dem Gedankenbrei heraus zu fischen. Des weiteren akzeptiere ich, dass es immer diesen Informationsverlust gibt. Der ist natürlich auch immer beidseitig. Entsprechend räume ich engen Freunden auch mitunter ein eine Sache als "wichtig" zu markieren und erlaube sie frei nach Schnauze zu reden und nicht emotional darauf zu reagieren, selbst dann, wenn es gegen einen selbst geht.

Lebt man eine solche Form der Kommunikation, kann man tatsächlich so manches Missverständnis aus dem Weg räumen oder Kränkungen beenden, die einem vielleicht gar nicht bewusst waren. Dies geht aber eben doch immer ein recht langer Lernprozess vornweg.

Die gute Nachricht ist, dass die meisten Verletzungen wirklich eher ungewollt sind und der Mensch Grenzen meist nicht böswillig überschreitet. Dies muss man sich auch immer wieder vor Augen halten, die Anzahl echter Sozialsadisten ist wesentlich niedriger als man es zunächst annehmen mag.

Die schlechte Nachricht ist, dass es die Sache in sich nicht im geringsten einfacher macht :) Aber beschäftigt man sich nie damit, wird man auf Ewig ein Spielball dieser Kräfte sein ohne sie je zu verstehen.