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RE: Meinungsfreiheit auf stumm – Wie Shadow-Bans das Recht auf freie Rede aushebeln

Schau, im Prinzip geht es darum: Ich muss meinen Content überhaupt erst anbieten dürfen. Jeder kann dann frei entscheiden, ob er mich stummschaltet, blockiert oder ignoriert, wenn ihn mein Angebot nervt. Aber wenn ich ihn gar nicht erst anbieten kann, fehlt auch den Lesern die Möglichkeit, selbst zu entscheiden und genau darin liegt das Problem.

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 yesterday 

Nein, genau so ist es eben nicht. Du kannst keinen Verlag zwingen, Dein Buch zu veröffentlichen, wenn der es für schlecht, nicht markttauglich oder nicht seinem Profil entsprechend befindet. Kein Fernsehsender strahlt Deine Dokumentation aus, wenn sie nicht ins Konzept paßt. Und keine Plattform muß Dir zur Verfügung stehen für Deine Inhalte, wenn sie der Plattform (deren Betreibern natürlich) nicht passen.

Zwei Baustellen. Die eine: Du hast keinerlei Strafe zu befürchten, wenn Du Deine Meinung laut äußerst, egal welche. Fakt. Die andere: das Recht zur ungehinderten und umfassenden Meinungsbildung aus allgemein öffentlich zugänglichen Quellen. Das besteht. Inwieweit die Kernquellen, der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk, der genau zu diesem Zweck geschaffen wurde, dem gerecht wird... Sei dahingestellt (bzw. mit einem anderen Wutschrei bedacht) Das Recht auf umfassende Meinungsbildung umfaßt keine Verpflichtung, das Kleben von Plakaten an meiner Hauswand zu dulden. Auch die besagte Plattform muß nichts zulassen, was ihrer Philosophie widerspricht. Eingriffe ins Hausrecht sind nicht gedeckt durch die mittelbare Drittwirkung. Dabei geht es vor allem um das Vertragsrecht zwischen juristischen Personen und Unternehmen, das sich natürlich im Grundrechtsrahmen bewegen muß, um Gültigkeit zu erlangen.

Ich rede nicht von einem Anspruch darauf, dass jede Plattform alles von mir veröffentlicht, sondern davon, dass die faktische Informationsfreiheit eingeschränkt wird, wenn Plattformen mit marktbeherrschender Stellung Inhalte unsichtbar machen.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit der Fraport-Entscheidung (NJW 2011, 1201) und zur mittelbaren Drittwirkung deutlich gemacht: Wenn private Akteure faktisch den öffentlichen Raum des Diskurses kontrollieren, müssen auch sie Grundrechte beachten.

Es geht also nicht um Strafe oder staatliche Zensur, sondern darum, dass selektive Unsichtbarmachung die freie Meinungs- und Informationsbildung unterläuft. Bürger verlieren so die Möglichkeit, alle Argumente zu sehen und zu bewerten und das ist für eine Demokratie problematisch die vom Wettkampf der Ideen lebt.

 20 hours ago 

Wir nähern uns... ;-))

Es ist hochst problematisch, da gebe ich Dir vollkommen recht. Aber juristisch nicht angreifbar. Also sollte es darum gehen, Alternativen zu schaffen zu den besagten Akteuren. Moment. Solche Alternativen gibt es. Die Mehrheit der Menschen entscheidet sich aber zur Nutzung dieser Plattform-Riesen. Das dürfen die.

Genau hier liegt die juristische Brisanz: Auch wenn Alternativen theoretisch existieren, sind sie praktisch oft nicht relevant, weil Plattformen mit marktbeherrschender Stellung den faktischen Zugang zum Diskurs kontrollieren. Das Bundesverfassungsgericht hat klar gemacht, dass solche Machtpositionen nicht durch bloßes Verweisen auf Nischenangebote legitimiert werden können, wenn damit Grundrechte mittelbar unterlaufen werden.
Mit anderen Worten: Die Möglichkeit, zu einer alternativen Plattform zu wechseln, ersetzt nicht den verfassungsrechtlich geschützten Zugang zu den dominierenden öffentlichen Foren.

Das ist genau der Punkt: Wenn private Plattformen mit marktbeherrschender Stellung den öffentlichen Diskurs faktisch kontrollieren, wirken ihre Entscheidungen wie staatliche Maßnahmen auf die Grundrechtsausübung.
Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung klargestellt, dass Grundrechte auch im Privatrechtsverkehr über die sog. mittelbare Drittwirkung zu berücksichtigen sind. Maßgeblich ist nicht, ob ein Akteur staatlich ist, sondern ob er in einer Position ist, die für die öffentliche Meinungsbildung unverzichtbar ist.

Wörtlich: „Grundrechte entfalten auch in Rechtsbeziehungen zwischen Privaten Wirkung, indem sie über Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe in das Zivilrecht einstrahlen und bei dessen Auslegung und Anwendung zu beachten sind.“ (BVerfGE 7, 198 – „Lüth“)

Mit anderen Worten: Wer die zentralen Räume der öffentlichen Kommunikation kontrolliert, unterliegt auch den verfassungsrechtlichen Maßstäben für Meinungsfreiheit. Das lässt sich nicht durch den Hinweis auf kleinere Nischenplattformen aushebeln.

Das Missverständnis liegt genau da: Grundrechte binden primär den Staat, ja – aber das BVerfG hat schon 1958 im Lüth-Urteil festgehalten, dass sie mittelbar auch zwischen Privaten wirken, wenn einer der Privaten in einer Position ist, die Grundrechtsausübung real bestimmen kann.
Bei marktbeherrschenden Plattformen ist das keine Theorie mehr, sondern gelebte Realität: Wer dort unsichtbar gemacht wird, verschwindet faktisch aus dem öffentlichen Diskurs. Das ist kein simples ‚Hausrecht‘ mehr, sondern Eingriff in den Kernbereich der Meinungsfreiheit – und deshalb gelten hier auch die Maßstäbe des Grundgesetzes.