You are viewing a single comment's thread from:

RE: Meinungsfreiheit auf stumm – Wie Shadow-Bans das Recht auf freie Rede aushebeln

in Deutsch Unplugged2 days ago (edited)

Ich rede nicht von einem Anspruch darauf, dass jede Plattform alles von mir veröffentlicht, sondern davon, dass die faktische Informationsfreiheit eingeschränkt wird, wenn Plattformen mit marktbeherrschender Stellung Inhalte unsichtbar machen.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit der Fraport-Entscheidung (NJW 2011, 1201) und zur mittelbaren Drittwirkung deutlich gemacht: Wenn private Akteure faktisch den öffentlichen Raum des Diskurses kontrollieren, müssen auch sie Grundrechte beachten.

Es geht also nicht um Strafe oder staatliche Zensur, sondern darum, dass selektive Unsichtbarmachung die freie Meinungs- und Informationsbildung unterläuft. Bürger verlieren so die Möglichkeit, alle Argumente zu sehen und zu bewerten und das ist für eine Demokratie problematisch die vom Wettkampf der Ideen lebt.

Sort:  
 2 days ago 

Wir nähern uns... ;-))

Es ist hochst problematisch, da gebe ich Dir vollkommen recht. Aber juristisch nicht angreifbar. Also sollte es darum gehen, Alternativen zu schaffen zu den besagten Akteuren. Moment. Solche Alternativen gibt es. Die Mehrheit der Menschen entscheidet sich aber zur Nutzung dieser Plattform-Riesen. Das dürfen die.

Genau hier liegt die juristische Brisanz: Auch wenn Alternativen theoretisch existieren, sind sie praktisch oft nicht relevant, weil Plattformen mit marktbeherrschender Stellung den faktischen Zugang zum Diskurs kontrollieren. Das Bundesverfassungsgericht hat klar gemacht, dass solche Machtpositionen nicht durch bloßes Verweisen auf Nischenangebote legitimiert werden können, wenn damit Grundrechte mittelbar unterlaufen werden.
Mit anderen Worten: Die Möglichkeit, zu einer alternativen Plattform zu wechseln, ersetzt nicht den verfassungsrechtlich geschützten Zugang zu den dominierenden öffentlichen Foren.

 7 hours ago 

Ich glaube, wir reden aneinander vorbei. Deinen Punkt habe ich verstanden. Allerdings glaube ich, daß er hier nicht zum Tragen kommt: keine Plattform sperrt jemanden derart aus, daß er keinen Zugang mehr zum Content hat, daß er nicht mehr konsumieren, sich informieren kann. Das wäre so ein Beispiel für eine mittelbare Drittwirkung. Wenn es jedoch um das Verbreiten eigener Inhalte geht, kann ein Plattformbetreiber sehr wohl auf seine eigenen Richtlinien verweisen und einen Bann aussprechen.

Anders: Facebook & Co. sind weder öffentliche Hand noch Gemeingut. Wenn ich deren Betreiber bin und mir sagt eine Regierung oder ein Gericht: Dies, das und jenes mußt Du aber zulassen, um Deiner verfassungsrechtlichen Verpflichtung nachzukommen... dann verspüre ich diese definitiv nicht und stelle meine Dienste ein. Vermutlich würde ich (das wäre jetzt mein persönlicher Stil, hat nichts mit Deinem Thema zu tun) auf Entschädigung klagen, wegen des versuchten Eingriffs in meine unternehmerische Freiheit. Bislang war m.E. das Einzige, das jemals einen solchen Eingriff von Seiten des Staates legitimiert hat, das neue Infektionsschutzgesetz, sprich: die Coronamaßnahmen. Ob die verfassungsmäßig waren, lassen wir gerne wieder unkommentiert stehen.

Unsere Verfassung ist ziemlich cool. Eigentlich. Die Leute, die sie von Berufs wegen verantwortlich auslegen, waren das auch sehr lange. Mittlerweile hat sich da etwas gewandelt. Was genau, kann ich nicht so einfach festmachen, vielleicht liegt es an einer Mentalitätsänderung der Menschen generell. Die Wichtung von Sicherheit und Freiheit verschiebt sich, die ergebnisoffene Diskussion verschwindet zugunsten eines verordneten Konsenses.

Mal ganz abgesehen von all diesen Argumentationen: so ziemlich alle Plattformen, auf die Du Dich mit Deinem Anliegen beziehen könntest, "wohnen" nicht in Deutschland. Das Bundesverfassungsgericht hat keinerlei Handhabe, Firmen mit Sitz in Übersee zu reglementieren. Es könnte Dienste einschränken. Du ahnst vielleicht, warum das nicht passieren wird...

Das ist genau der Punkt: Wenn private Plattformen mit marktbeherrschender Stellung den öffentlichen Diskurs faktisch kontrollieren, wirken ihre Entscheidungen wie staatliche Maßnahmen auf die Grundrechtsausübung.
Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung klargestellt, dass Grundrechte auch im Privatrechtsverkehr über die sog. mittelbare Drittwirkung zu berücksichtigen sind. Maßgeblich ist nicht, ob ein Akteur staatlich ist, sondern ob er in einer Position ist, die für die öffentliche Meinungsbildung unverzichtbar ist.

Wörtlich: „Grundrechte entfalten auch in Rechtsbeziehungen zwischen Privaten Wirkung, indem sie über Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe in das Zivilrecht einstrahlen und bei dessen Auslegung und Anwendung zu beachten sind.“ (BVerfGE 7, 198 – „Lüth“)

Mit anderen Worten: Wer die zentralen Räume der öffentlichen Kommunikation kontrolliert, unterliegt auch den verfassungsrechtlichen Maßstäben für Meinungsfreiheit. Das lässt sich nicht durch den Hinweis auf kleinere Nischenplattformen aushebeln.

Das Missverständnis liegt genau da: Grundrechte binden primär den Staat, ja – aber das BVerfG hat schon 1958 im Lüth-Urteil festgehalten, dass sie mittelbar auch zwischen Privaten wirken, wenn einer der Privaten in einer Position ist, die Grundrechtsausübung real bestimmen kann.
Bei marktbeherrschenden Plattformen ist das keine Theorie mehr, sondern gelebte Realität: Wer dort unsichtbar gemacht wird, verschwindet faktisch aus dem öffentlichen Diskurs. Das ist kein simples ‚Hausrecht‘ mehr, sondern Eingriff in den Kernbereich der Meinungsfreiheit – und deshalb gelten hier auch die Maßstäbe des Grundgesetzes.