RE: Meinungsfreiheit auf stumm – Wie Shadow-Bans das Recht auf freie Rede aushebeln
Ich sehe den Punkt, den du meinst – und er ist wichtig und korrekt. Aber genau hier liegt das Missverständnis:
Es geht bei der mittelbaren Drittwirkung nicht darum, ob Facebook oder X „wie der Staat“ handeln. Sondern darum, dass private Akteure, wenn sie eine faktische Monopolstellung im öffentlichen Diskurs einnehmen, bei ihren Eingriffen in die Kommunikationsfreiheit nicht völlig frei sind, sondern maßgebliche Grundrechtswerte berücksichtigen müssen.
Das BVerfG hat das in verschiedenen Kontexten betont – etwa bei Vereinen, Verbänden oder Rundfunk. Maßgeblich ist nicht, ob ein Unternehmen staatlich ist, sondern ob es in eine Kommunikationsordnung eingreift, die für den demokratischen Diskurs unverzichtbar ist.
-Ein Beispiel: Auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind keine staatlichen Behörden – trotzdem sind sie an Grundrechte gebunden, weil sie Teil der Meinungs- und Informationsordnung sind.
-Ebenso dürfen Gewerkschaften oder Vereine nicht nach Belieben diskriminieren, wenn sie „zentrale Zugangsstellen“ für gesellschaftliche Teilhabe darstellen.
Das Argument „der Betreiber kann jederzeit zumachen“ greift daher zu kurz. In der Praxis würde niemand Facebook oder YouTube einfach schließen, sondern sie üben faktische Deutungshoheit aus. Genau darum hat das BVerfG die Drittwirkung entwickelt: Damit Grundrechte nicht ins Leere laufen, sobald der Staat Dritte „vorschiebt“.
Natürlich stimmt es: Für internationale Plattformen wird das durchsetzungspraktisch schwierig. Aber genau deshalb diskutieren Juristen inzwischen ernsthaft über die Frage, ob große Plattformen nicht wie Infrastruktur behandelt werden müssen – ähnlich wie Strom- oder Telefonanbieter. Niemand würde akzeptieren, dass ein Stromnetzbetreiber sagt: „Deine Meinung passt mir nicht, also schalte ich dich ab.“
👉 Fazit:
Es geht also nicht darum, ob ein Unternehmen formal „öffentlich“ ist, sondern ob es faktisch Gatekeeper für die Öffentlichkeit ist. Und hier liegt der springende Punkt: Je zentraler der Zugang, desto stärker wirken die Grundrechte mittelbar.