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RE: Meinungsfreiheit auf stumm – Wie Shadow-Bans das Recht auf freie Rede aushebeln

in Deutsch Unplugged2 days ago

Wir nähern uns... ;-))

Es ist hochst problematisch, da gebe ich Dir vollkommen recht. Aber juristisch nicht angreifbar. Also sollte es darum gehen, Alternativen zu schaffen zu den besagten Akteuren. Moment. Solche Alternativen gibt es. Die Mehrheit der Menschen entscheidet sich aber zur Nutzung dieser Plattform-Riesen. Das dürfen die.

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Genau hier liegt die juristische Brisanz: Auch wenn Alternativen theoretisch existieren, sind sie praktisch oft nicht relevant, weil Plattformen mit marktbeherrschender Stellung den faktischen Zugang zum Diskurs kontrollieren. Das Bundesverfassungsgericht hat klar gemacht, dass solche Machtpositionen nicht durch bloßes Verweisen auf Nischenangebote legitimiert werden können, wenn damit Grundrechte mittelbar unterlaufen werden.
Mit anderen Worten: Die Möglichkeit, zu einer alternativen Plattform zu wechseln, ersetzt nicht den verfassungsrechtlich geschützten Zugang zu den dominierenden öffentlichen Foren.

 17 hours ago 

Ich glaube, wir reden aneinander vorbei. Deinen Punkt habe ich verstanden. Allerdings glaube ich, daß er hier nicht zum Tragen kommt: keine Plattform sperrt jemanden derart aus, daß er keinen Zugang mehr zum Content hat, daß er nicht mehr konsumieren, sich informieren kann. Das wäre so ein Beispiel für eine mittelbare Drittwirkung. Wenn es jedoch um das Verbreiten eigener Inhalte geht, kann ein Plattformbetreiber sehr wohl auf seine eigenen Richtlinien verweisen und einen Bann aussprechen.

Anders: Facebook & Co. sind weder öffentliche Hand noch Gemeingut. Wenn ich deren Betreiber bin und mir sagt eine Regierung oder ein Gericht: Dies, das und jenes mußt Du aber zulassen, um Deiner verfassungsrechtlichen Verpflichtung nachzukommen... dann verspüre ich diese definitiv nicht und stelle meine Dienste ein. Vermutlich würde ich (das wäre jetzt mein persönlicher Stil, hat nichts mit Deinem Thema zu tun) auf Entschädigung klagen, wegen des versuchten Eingriffs in meine unternehmerische Freiheit. Bislang war m.E. das Einzige, das jemals einen solchen Eingriff von Seiten des Staates legitimiert hat, das neue Infektionsschutzgesetz, sprich: die Coronamaßnahmen. Ob die verfassungsmäßig waren, lassen wir gerne wieder unkommentiert stehen.

Unsere Verfassung ist ziemlich cool. Eigentlich. Die Leute, die sie von Berufs wegen verantwortlich auslegen, waren das auch sehr lange. Mittlerweile hat sich da etwas gewandelt. Was genau, kann ich nicht so einfach festmachen, vielleicht liegt es an einer Mentalitätsänderung der Menschen generell. Die Wichtung von Sicherheit und Freiheit verschiebt sich, die ergebnisoffene Diskussion verschwindet zugunsten eines verordneten Konsenses.

Mal ganz abgesehen von all diesen Argumentationen: so ziemlich alle Plattformen, auf die Du Dich mit Deinem Anliegen beziehen könntest, "wohnen" nicht in Deutschland. Das Bundesverfassungsgericht hat keinerlei Handhabe, Firmen mit Sitz in Übersee zu reglementieren. Es könnte Dienste einschränken. Du ahnst vielleicht, warum das nicht passieren wird...

Ich sehe den Punkt, den du meinst – und er ist wichtig und korrekt. Aber genau hier liegt das Missverständnis:
Es geht bei der mittelbaren Drittwirkung nicht darum, ob Facebook oder X „wie der Staat“ handeln. Sondern darum, dass private Akteure, wenn sie eine faktische Monopolstellung im öffentlichen Diskurs einnehmen, bei ihren Eingriffen in die Kommunikationsfreiheit nicht völlig frei sind, sondern maßgebliche Grundrechtswerte berücksichtigen müssen.

Das BVerfG hat das in verschiedenen Kontexten betont – etwa bei Vereinen, Verbänden oder Rundfunk. Maßgeblich ist nicht, ob ein Unternehmen staatlich ist, sondern ob es in eine Kommunikationsordnung eingreift, die für den demokratischen Diskurs unverzichtbar ist.

-Ein Beispiel: Auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind keine staatlichen Behörden – trotzdem sind sie an Grundrechte gebunden, weil sie Teil der Meinungs- und Informationsordnung sind.

-Ebenso dürfen Gewerkschaften oder Vereine nicht nach Belieben diskriminieren, wenn sie „zentrale Zugangsstellen“ für gesellschaftliche Teilhabe darstellen.

Das Argument „der Betreiber kann jederzeit zumachen“ greift daher zu kurz. In der Praxis würde niemand Facebook oder YouTube einfach schließen, sondern sie üben faktische Deutungshoheit aus. Genau darum hat das BVerfG die Drittwirkung entwickelt: Damit Grundrechte nicht ins Leere laufen, sobald der Staat Dritte „vorschiebt“.

Natürlich stimmt es: Für internationale Plattformen wird das durchsetzungspraktisch schwierig. Aber genau deshalb diskutieren Juristen inzwischen ernsthaft über die Frage, ob große Plattformen nicht wie Infrastruktur behandelt werden müssen – ähnlich wie Strom- oder Telefonanbieter. Niemand würde akzeptieren, dass ein Stromnetzbetreiber sagt: „Deine Meinung passt mir nicht, also schalte ich dich ab.“

👉 Fazit:
Es geht also nicht darum, ob ein Unternehmen formal „öffentlich“ ist, sondern ob es faktisch Gatekeeper für die Öffentlichkeit ist. Und hier liegt der springende Punkt: Je zentraler der Zugang, desto stärker wirken die Grundrechte mittelbar.

Das ist genau der Punkt: Wenn private Plattformen mit marktbeherrschender Stellung den öffentlichen Diskurs faktisch kontrollieren, wirken ihre Entscheidungen wie staatliche Maßnahmen auf die Grundrechtsausübung.
Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung klargestellt, dass Grundrechte auch im Privatrechtsverkehr über die sog. mittelbare Drittwirkung zu berücksichtigen sind. Maßgeblich ist nicht, ob ein Akteur staatlich ist, sondern ob er in einer Position ist, die für die öffentliche Meinungsbildung unverzichtbar ist.

Wörtlich: „Grundrechte entfalten auch in Rechtsbeziehungen zwischen Privaten Wirkung, indem sie über Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe in das Zivilrecht einstrahlen und bei dessen Auslegung und Anwendung zu beachten sind.“ (BVerfGE 7, 198 – „Lüth“)

Mit anderen Worten: Wer die zentralen Räume der öffentlichen Kommunikation kontrolliert, unterliegt auch den verfassungsrechtlichen Maßstäben für Meinungsfreiheit. Das lässt sich nicht durch den Hinweis auf kleinere Nischenplattformen aushebeln.

Das Missverständnis liegt genau da: Grundrechte binden primär den Staat, ja – aber das BVerfG hat schon 1958 im Lüth-Urteil festgehalten, dass sie mittelbar auch zwischen Privaten wirken, wenn einer der Privaten in einer Position ist, die Grundrechtsausübung real bestimmen kann.
Bei marktbeherrschenden Plattformen ist das keine Theorie mehr, sondern gelebte Realität: Wer dort unsichtbar gemacht wird, verschwindet faktisch aus dem öffentlichen Diskurs. Das ist kein simples ‚Hausrecht‘ mehr, sondern Eingriff in den Kernbereich der Meinungsfreiheit – und deshalb gelten hier auch die Maßstäbe des Grundgesetzes.