Warum sollte ich Friedrich Merz und der CDU/CSU je wieder etwas glauben?steemCreated with Sketch.

in #politik17 days ago

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Es ist ein altbekanntes Spiel, aber selten so durchsichtig wie jetzt: Während Jens Spahn öffentlich verkündet, die Chatkontrolle werde nicht kommen, lässt Friedrich Merz nahezu zeitgleich verlauten, man plane die Einführung einer präventiven Telekommunikationsüberwachung. Wer in politischer Semantik geübt ist, erkennt sofort: Das ist kein Widerspruch – das ist ein rhetorischer Doppelschlag. Man nimmt ein unbeliebtes Wort aus dem Verkehr, um den unbeliebten Inhalt unter anderem Namen weiterzuführen.

So entsteht die Illusion des Rückzugs bei gleichzeitiger Ausweitung der Kontrolle. Es ist die moderne Kunst politischer Irreführung – nicht durch Lüge, sondern durch semantische Umrüstung.

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Die Wiederkehr des Immergleichen

Man kennt das Muster: Vor jeder Wahl die Abkehr von Überwachung, von EU-Zentralismus, von ideologischer Entgleisung – und nach der Wahl die Wiederkehr des Immergleichen. „Wir müssen handeln“, „Europa verlangt es“, „Sicherheit geht vor Freiheit“ – die Formel wechselt, der Effekt bleibt.

Diese Strategie zielt nicht auf Überzeugung, sondern auf Erschöpfung. Man soll irgendwann gar nichts mehr glauben, weil Glaube an sich zum Risiko wird. Politik wird so nicht mehr zur Vermittlerin zwischen Regierung und Volk, sondern zur Maschine der Akzeptanzproduktion.

Die CDU hat dieses Spiel perfektioniert: Sie tut moralisch empört über jede Grenzüberschreitung, um sie kurz darauf als alternativlos umzusetzen.


Das gebrochene Versprechen der Haushaltsdisziplin

„Keine Neuverschuldung“ – dieses Versprechen war einst das Markenzeichen der Union. Es sollte Vertrauen schaffen, dass wirtschaftliche Vernunft und generationengerechtes Denken wieder Maßstab der Politik werden. Doch Merz hat dieses Prinzip längst geopfert.

Statt Haushaltsdisziplin setzt die Union heute auf politische Symbolik. Die angekündigte Schuldenbremse wurde faktisch aufgeweicht – nicht nur durch Nachtragshaushalte und Sonderfonds, sondern durch die stillschweigende Akzeptanz eines aufgeblähten Zinsdienstes, der inzwischen mehr kostet als der gesamte Bildungs- oder Verteidigungsetat.

Die Wahrheit ist: Eine Politik, die Neuverschuldung mit „Zukunftsinvestitionen“ tarnt, kauft sich Zustimmung auf Kredit. Doch Zinsen sind kein politischer Gegner, sie sind das Echo vergangener Verantwortungslosigkeit. Wer heute für die „schwarze Null“ wirbt, während er strukturell Defizite zulässt, hat das Prinzip des ehrlichen Haushalts längst aufgegeben.

Damit ist nicht nur ein finanzpolitisches Versprechen gebrochen – sondern das moralische Fundament der Union selbst: Maß, Verantwortung und Nachhaltigkeit. Drei Worte, die inzwischen nur noch in Sonntagsreden vorkommen.


BlackRock, Berlin, Brüssel – die neue Dreieinigkeit

Man kann den Einfluss großer Finanzakteure wie BlackRock nicht verstehen, wenn man ihn als Verschwörung liest. Er ist kein Geheimplan – er ist Systemlogik. Politiker wie Merz verkörpern diesen Strukturwandel der Macht: Nicht mehr der Staat zügelt den Markt, sondern der Markt rekrutiert den Staat.

Merz ist kein Kanzlerkandidat, er ist ein Asset-Manager in politischer Funktion. Er verkauft Vertrauen wie andere Finanzprodukte – mit Renditeversprechen, die nie eingelöst werden. Und wie bei Finanzprodukten gilt: Das Risiko trägt immer der Anleger, sprich – der Bürger.


Die semantische Evolution der Lüge

Die politische Kommunikation der Gegenwart hat sich professionalisiert. Es wird nicht mehr gelogen – es wird umformuliert. Aus der Chatkontrolle wird „präventive Telekommunikationssicherheit“. Aus Steuererhöhungen wird „gerechte Lastenverteilung“. Aus Kriegsbeteiligung wird „Sicherheitsbeitrag“.

So wird Sprache nicht mehr genutzt, um Wirklichkeit zu beschreiben, sondern um sie unsichtbar zu machen. Das ist der Punkt, an dem Vertrauen stirbt. Nicht durch Skandal oder Verrat, sondern durch die fortgesetzte Verwechslung von Wort und Wahrheit.


Die Antwort des mündigen Bürgers

Warum sollte man Merz glauben? Weil man glauben möchte, dass Vernunft zurückkehrt. Aber Vernunft ist keine Parteieigenschaft, sondern eine Haltung. Und wer seine Haltung verkauft, verliert auch sein Wort.

Die Union hat über Jahre hinweg das Vertrauen ihrer Wähler nicht verspielt, sondern verflüssigt – sie hat es in Worthülsen verpackt und auf dem politischen Markt angeboten, bis es keinen inneren Wert mehr hatte.

Der Bürger schuldet keiner Partei Loyalität, wohl aber dem Prinzip Wahrheitstreue. Und wer diese Wahrheit systematisch umformuliert, hat jeden Anspruch auf Vertrauen verwirkt.


Fazit

Merz steht sinnbildlich für eine politische Epoche, in der Worte nur noch Kurse sind – handelbar, schwankend, und am Ende wertlos. Wer heute von „Sicherheit“ spricht, meint Kontrolle. Wer von „Modernisierung“ redet, meint Überwachung. Und wer Freiheit verspricht, liefert immer die AGB gleich mit.

Deshalb lautet die ehrliche Antwort: Ich glaube Merz nichts mehr – nicht aus Zorn, sondern aus Erfahrung.